Politik

ESG-Rating: So hat es Obermeyer Infrastruktur gemacht

Obermeyer ist auch am Umbau des Bahnhofs Ostkreuz in Berlin beteiligt. Quelle: Obermeyer Infrastruktur

Um die ESG-Vorgaben der Deutsche Bahn zu erfüllen, hat sich Obermeyer Infrastruktur Hilfe bei Credireform Rating gesucht. Ein Doppelinterview mit Vertretern des Bauunternehmens und der Ratingagentur über ihr gemeinsames Vorgehen bei diesem Thema.

Ob Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) oder Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD): Auch im Bahnsektor müssen Unternehmen mit einer Fülle neuer nationaler und EU-Vorgaben umgehen, um künftig nachhaltiger zu wirtschaften und zu arbeiten. Zusammengefasst werden diese Regularien unter der Abküzung ESG (Environment, Social and Corporate Governance). Wer etwa künftig Aufträge der Deutschen Bahn erhalten will, muss ein ESG-Rating vorweisen. 

Um diese Herausforderungen zu bewältigen, hat sich der Spezialist Obermeyer Infrastruktur Unterstützung von Creditreform Rating geholt. Wie sah die Zusammenarbeit aus? Worauf galt es für die Partner zu achten? Florian Miersch, Abteilungsleiter Rechnungswesen bei Obermeyer Infrastruktur, und Benjamin Mohr, Mitglied der Geschäftsleitung bei Creditreform Rating, sprachen mit bahn manager in einem Interview über ihr Vorgehen. Das folgende Interview ist der aktuellen Ausagbe des Magazins (1/2025) entnommen.

Herr Miersch, als ein führender Anbieter von Infrastrukturlösungen im Bahnsektor muss auch Ihr Unternehmen mit umfangreichen Regularien wie LkSG oder CSRD umgehen. Wie groß schätzen Sie die Herausforderung ein, solche Vorgaben in der Praxis umzusetzen?

Florian Miersch: Die Herausforderungen sind enorm, insbesondere, da sie tief in unsere Prozesse und Strukturen eingreifen. Als Infrastrukturplaner sind wir nicht nur für die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben verantwortlich, sondern auch dafür, dass unsere eigenen Lieferketten diese Standards erfüllen. Hinzu kommen branchenspezifische Anforderungen, wie sie von großen Kunden und Branchenschwergewichten vorgegeben werden. Diese Vorgaben sind einerseits notwendig, um sicherzustellen, dass Nachhaltigkeit in der gesamten Wertschöpfungskette berücksichtigt wird, andererseits erfordern sie von uns ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit.

Schließlich wirkt sich Nachhaltigkeit auf fast jeden Bereich unseres Unternehmens aus – von der Lieferantenauswahl über die Projektplanung bis hin zur internen Nachhaltigkeitsstrategie. Mit dem zusätzlichen Fokus auf Nachhaltigkeitsbewertungen, wie sie die Deutsche Bahn fordert, mussten wir nicht nur intern Prozesse anpassen, sondern auch externe Expertise einbinden, um sicherzustellen, dass Obermeyer Infrastruktur alle Anforderungen effizient erfüllt. Unsere Verantwortung ist es allerdings, diese Anforderungen nicht nur zu erfüllen, sondern auch eine nachhaltige Entwicklung voranzutreiben.

Sie sprechen die Deutsche Bahn an. Welche Rolle spielt die DB für Sie als Auftraggeber?

Miersch: Die Deutsche Bahn ist für uns ein zentraler Partner. Sie hat Nachhaltigkeit zu einem festen Bestandteil ihrer Beschaffungsstrategie gemacht. Seit 2023 ist es verpflichtend, dass alle Lieferanten unter bestimmten Voraussetzungen ein Nachhaltigkeitsrating vorlegen. Diese Bewertungen umfassen Bereiche wie Umwelt, Arbeits- und Menschenrechte, Ethik und nachhaltige Beschaffung. Wichtig ist der Bahn, dass die Nachweise stets aktuell gehalten werden und über die gesamte Vertragslaufzeit hinweg verfügbar sein müssen. Die Bahn geht sogar noch weiter: Ab 2026 müssen Mindestanforderungen bei den Ratings erfüllt werden, und wir erwarten, dass die Vorgaben in Zukunft noch strenger werden. Für uns als mittelständisches Unternehmen war klar, dass wir eine externe Expertise benötigen, um diese Anforderungen effizient umzusetzen.

Das heißt, die Komplexität der Vorgaben hat Sie zur Zusammenarbeit mit dem externen Partner Creditreform Rating bewogen?

Miersch: Genau. Der Entscheidungsprozess war für uns eindeutig. Creditreform ist seit Jahren ein verlässlicher Partner und kennt nicht nur die Obermeyer Infrastruktur, sondern bringt auch ein tiefes Verständnis für ESG-Anforderungen mit. Für uns war es besonders wichtig, nicht nur ein Rating vorzulegen, sondern unsere gesamte Nachhaltigkeitsstrategie kritisch zu überprüfen und gezielt weiterzuentwickeln. Mit der Unterstützung von Creditreform Rating konnten wir die Anforderungen der Deutschen Bahn nicht nur erfüllen, sondern auch gezielte Impulse für die strategische Weiterentwicklung erhalten.

Herr Mohr, wie sah Ihre Zusammenarbeit mit Obermeyer Infrastruktur konkret aus?

Benjamin Mohr: Sie begann mit einer detaillierten Bestandsaufnahme. Zunächst hat das Unternehmen Nachhaltigkeitsdaten, Unternehmensrichtlinien und Maßnahmen bereitgestellt. Diese Informationen wurden von unseren Analysten zur Interpretation des Nachhaltigkeitsmanagements gesichtet und bewertet. Ein zentraler Bestandteil war ein vertiefendes Managementgespräch, in dem wir die Nachhaltigkeitsstrategie von Obermeyer Infrastruktur diskutierten.

Worum ging es in diesem Gespräch?

Mohr: Es war besonders wertvoll, da es über die reinen Daten hinaus Einblicke in das Managementsystem und die Unternehmenskultur von Obermeyer Infrastruktur ermöglichte. Wir konnten erkennen, wie Nachhaltigkeit bei dem Unternehmen strukturell verankert wird und auch, welche Potenziale für Verbesserungen bestehen. Auf dieser Basis haben wir ein ESG-Rating erstellt, das nicht nur die Anforderungen der Deutschen Bahn erfüllt, sondern auch strategische Empfehlungen für die Zukunft beinhaltet.

Das heißt, diese Managementgespräche sind wichtig?

Mohr: Absolut. Es sind gerade diese Managementgespräche, im Rahmen derer wir Unternehmen eine Plattform bieten, um Hintergrundinformationen und zusätzliche Informationen zu liefern, die für die Bahn ein wichtiger Entscheidungsfaktor waren, um Creditreform Rating in den Kreis der bevorzugten Lieferanten für die Nachhaltigkeitsbewertung ihrer Lieferanten aufzunehmen. Gerade weil für die Deutsche Bahn ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess eminent wichtig ist, ist der individuelle Fokus auf das einzelne Unternehmen, der durch unseren Ansatz gewährleistet wird, ein aus unserer Perspektive elementarer Bestandteil eines erfolgreichen ESG-Ratings.

Welche besonderen Herausforderungen gab es?

Mohr: Besonders fordernd war sicherlich auch der enge Zeitrahmen. Die Deutsche Bahn verlangte, dass das Nachhaltigkeitsrating spätestens sechs Monate nach Vertragsschluss vorliegt. Obermeyer Infrastruktur hatte zudem den Anspruch, nicht nur die Mindestanforderungen zu erfüllen, sondern ein wirklich aussagekräftiges Rating zu erhalten. Dies erforderte eine enge Zusammenarbeit und eine effiziente Koordination aller Beteiligten.

Sehen Sie allgemein bei Unternehmen Hemmnisse, ESG-Anforderungen umzusetzen, und wie können diese überwunden werden?

Mohr: Ja, häufig fehlen Unternehmen zunächst die internen Ressourcen oder die nötige Expertise, um die Anforderungen umfassend zu erfüllen. Das kann gerade für mittelständische Unternehmen eine Herausforderung sein. Ein weiterer Hemmschuh ist die Unsicherheit darüber, welche Standards tatsächlich relevant sind und wie sie umgesetzt werden sollen.

Hier setzen wir an, indem wir Unternehmen nicht nur bei der Bewertung unterstützen, sondern auch bei der Umsetzung von Maßnahmen. Obermeyer Infrastruktur ist ein gutes Beispiel dafür, wie externe Expertise genutzt werden kann, um nicht nur Vorgaben zu erfüllen, sondern auch strategische Vorteile zu erzielen.

Herr Miersch, was waren für Sie die größten Erkenntnisse aus dem Ratingprozess?

Miersch: Besonders hilfreich war die klare Struktur, die Creditreform Rating in den Prozess gebracht hat. Wir haben durch das ESG-Rating ein tiefes Verständnis für unsere Stärken und Schwächen im Bereich Nachhaltigkeit gewonnen. Eine zentrale Erkenntnis war dementsprechend, wie wichtig ein strukturiertes Nachhaltigkeitsmanagement ist. Durch das ESG-Rating haben wir nicht nur Transparenz über unsere Nachhaltigkeitsleistung gewonnen, sondern auch klare Hinweise erhalten, wo wir uns verbessern können.

Ein Beispiel ist die Integration von Nachhaltigkeitsfaktoren in unser Integriertes Managementsystem (IMS). Dadurch können wir diese Aspekte gezielt steuern und messbare Fortschritte erzielen. Darüber hinaus hat uns das Rating geholfen, unsere Position als nachhaltiger Partner der Deutschen Bahn zu stärken. Das schafft nicht nur Vertrauen bei unseren Auftraggebern, sondern auch bei unseren Mitarbeitenden und weiteren Stakeholdern.

Herr Mohr, gibt es in Sachen ESG speziell für den Bahnsektor nochmal besondere Anforderungen, die dann auch Obermeyer Infrastruktur erfüllen musste?

Mohr: Der Bahnsektor ist tatsächlich durch spezifische ESG-Vorgaben geprägt. Nachhaltigkeit ist hier nicht nur ein Schlagwort, sondern ein zentraler Bestandteil der gesamten Lieferkette. Dabei erwarten zentrale Marktteilnehmer wie die Deutsche Bahn von ihren Lieferanten nicht nur, dass sie die Umwelt- und Sozialstandards einhalten, sondern auch, dass sie aktiv zur Erreichung ihrer eigenen Nachhaltigkeitsziele beitragen. Daher reicht es nicht aus, den Status quo der Nachhaltigkeit zu dokumentieren, sondern gerade die gezielte Weiterentwicklung der Nachhaltigkeit ist elementar wichtig.

Damit gehen die Anforderungen über allgemeine ESG-Kriterien hinaus und beziehen sich auf spezifische Aspekte wie konkrete Ziele zur CO₂-Reduktion, Ressourcenschonung und soziale Verantwortung. Dies macht den Bewertungsprozess komplexer, bietet aber auch die Möglichkeit, sich als vertrauenswürdiger Partner zu positionieren.

Wie unterscheidet sich die Zusammenarbeit mit einem Planungsunternehmen wie Obermeyer Infrastruktur, die im Bereich Schiene und Bahn tätig sind, von anderen Unternehmen?

Mohr: Planungsunternehmen wie Obermeyer Infrastruktur sind in vielerlei Hinsicht anspruchsvoller. Zum einen sind die Nachhaltigkeitsanforderungen detaillierter und umfassender, zum anderen ist die Erwartungshaltung der Auftraggeber höher. Unternehmen müssen hier nicht nur gesetzliche Vorgaben erfüllen, sondern auch proaktiv auf Nachhaltigkeitsthemen eingehen. Im Vergleich zu anderen Branchen ist auch der Zeitdruck oft höher. Die Deutsche Bahn hat klare Fristen für die Vorlage von Ratings und Berichten, die eingehalten werden müssen. Das erfordert eine enge und effiziente Zusammenarbeit.

Herr Miersch, wie geht es weiter, wie werden Sie die Ergebnisse des ESG-Ratings in Zukunft nutzen?

Miersch: Das Rating ist für uns nicht nur ein Nachweis, dass Obermeyer Infrastruktur die Anforderungen erfüllt, sondern ein strategisches Instrument. Es zeigt uns, wo wir stehen und wo wir ansetzen müssen, um unsere Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Wir planen, die Ergebnisse regelmäßig zu überprüfen und unsere Strategie entsprechend weiterzuentwickeln. Darüber hinaus wollen wir die Zusammenarbeit mit Creditreform intensivieren, um auch in anderen Bereichen ESG-Vorgaben zu erfüllen.

Herr Mohr, was können andere Unternehmen aus Ihrer Zusammenarbeit mit Obermeyer Infrastruktur lernen?

Mohr: Ein zentraler Punkt ist, dass Nachhaltigkeitsratings nicht nur eine Pflichtübung sind, sondern echte Mehrwerte bieten können. Unternehmen, die diese Ratings strategisch nutzen, können sich Wettbewerbsvorteile sichern und langfristige Partnerschaften aufbauen. Die Zusammenarbeit mit Obermeyer Infrastruktur zeigt, wie wichtig es ist, frühzeitig auf Experten zu setzen, die den Prozess effizient begleiten können. Gerade im Bahnsektor, in dem die Anforderungen komplex und die Zeitrahmen knapp sind, ist dies entscheidend. (Georg Kern)

Die Interviewpartner:

Benjamin Mohr: Der promovierte Volkswirt ist Mitglied der Geschäftsleitung von Creditreform Rating und dort unter anderem verantwortlich für den Bereich ESG-Nachhaltigkeit.

Florian Miersch: Im März 2022 ist er bei Obermeyer Infrastruktur als Fachbereichsleiter in München eingestiegen. Seit  2024 arbeitet er dort als Abteilungsleiter Rechnungswesen.

 

 

 

Artikel Redaktion Eurailpress
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