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Frankreich: Keine Inlandsflüge mehr bei Strecken bis 2,5 Stunden Zugfahrzeit

Strassburg Zug TGV
Foto: hfs / bahn manager

Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire nutzt die staatlichen Corona-Geldspritzen zur Koppelung mit Klimaschutzzielen – auf Strecken mit zweieinhalb Stunden Reisezeit soll es statt Flugangeboten nur noch Züge geben.

Von Hermann Schmidtendorf, Chefredakteur bahn manager

Damit greift Frankreichs Regierung einen Gesetzentwurf auf, den am 5. Juni 2019 eine Gruppe linker oppositioneller Parlamentarier in die Nationalversammlung eingebracht hatte. Unter der Überschrift „Gesetzvorschlag für die Ersetzung von Inlandsflügen durch den Zug (wo das möglich ist…)“ forderten die Antragsteller: „Bei Bestehen einer umsteigefreien Zugverbindung, die einer Fahrzeit bis zweieinhalb Stunden entspricht, erteilt die Verwaltungsbehörde keine Genehmigung zum Betrieb einer dementsprechenden regulären Fluglinie.“ Das Verbot solle innerhalb von zwei Jahren greifen und bezugnehmend auf Artikel 20 der EU-Verordnung 1008/2008 vom 24. September 2008 alle drei Jahre verlängert werden.

Auf vier Seiten listete der Entwurf zu verbietende Kurzstrecken auf, beispielsweise Nizza-Monte Carlo (derzeit 48 Flüge täglich mit sechs Minuten Flugdauer, aber es fahren auch 48 Züge mit 21 Minuten Fahrtzeit), Paris-Marseille (derzeit 17 Flüge mit 80 Minuten Flugzeit bei 17 Zügen mit 185 Minuten Fahrtzeit), Paris-Brüssel (derzeit zwei Flüge mit 55 Minuten Flugzeit gegenüber 22 Zügen mit 87 Minuten Fahrtzeit). Bestehen bleiben solle hingegen eine Verbindung wie Paris-Nizza, wo am Stichtag 15. August 2019 31 Flügen mit 85 Minuten Flugzeit nur sechs Zugverbindungen täglich mit 345 Minuten Fahrtzeit gegenüberstanden. Der Antrag ist zu finden unter dem LINK:

http://www.assemblee-nationale.fr/15/pdf/propositions/pion2005.pdf

Am 29. April 2020 erklärte jetzt der französische Finanzminister Le Maire per Videokonferenz, die staatlich garantierten Bankdarlehen über vier Milliarden Euro und drei Milliarden Euro direkte Staatsdarlehen zur Nach-Corona-Unterstützung der Fluglinie Air France seien „kein Blankoscheck“: „Wir wollen, dass Air France den CO2-Ausstoß pro Passagier und Kilometer zwischen 2005 und 2030 um 50 Prozent reduziert, und wir werden sicherstellen, dass diese Bedingung erfüllt ist. Wir möchten, dass Air France das CO2-Emissionsvolumen auf seinen Flügen in Großstädten bis Ende 2024 um 50 Prozent reduziert.“ Und explizit per Twitter: “Sobald es eine Bahnalternative zu Inlandsflügen mit einer Dauer von weniger als 2,5 Stunden gibt, müssen diese Inlandsflüge drastisch reduziert und lediglich auf Transfers zu einem Hub beschränkt werden.” Darüber hinaus sollen bis 2025 mindestens zwei Prozent des Flugzeug-Treibstoffs aus einer klimaneutralen Quelle kommen.

Eine pfiffige Form der Pro-Bahn-Aktion: Durch die Kopplung der Staatsbeihilfen an Enthaltsamkeit bei Kurzstreckenflügen erreicht der Minister dasselbe wie der oppositionelle Gesetzentwurf, doch ohne zeitraubendes juristisches Prozedere mit anschließender EU-Abstimmung. Auch die deutsche Lufthansa erwartet derzeit Staatshilfe in Höhe bis zu zehn Milliarden Euro. Doch einen Einfluss des Staates als Gegenleistung lehnte Lufthansa-Chef Carsten Spohr bislang ab: „Jetzt brauchen wir staatliche Unterstützung. Aber wir brauchen keine staatliche Geschäftsführung.» Carsten Schneider, erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, konterte darauf in der Zeitung «Die Welt»: «Der Staat ist nicht der dumme August, der das Geld gibt und dann nichts zu melden hat. Wer für sein Unternehmen staatliche Unterstützung beantragt, der wird auch bestimmte Bedingungen erfüllen müssen.» Es gehe nicht um Einflussnahme auf den Flugplan, sondern etwa darum, ob ein angeschlagenes Unternehmen zum Beispiel Dividende zahle. Medienberichten zufolge fordere der Staat ein bis zwei Aufsichtsratsmandate im zwanzigköpfigen Aufsichtsrat der Lufthansa und den Direkteinstieg in den Flugkonzern mit einer Sperrminorität von 25,1 Prozent.

Geht es nach der Mehrheit der deutschen Bevölkerung, könnte die Bundesregierung in diesem Rahmen auch – so wie in Frankreich – Pro Bahn- und Klimaschutzziele forcieren. In einer Umfrage des Statistikunternehmens statista erklärten 35 Prozent der Befragten, sie unterstützten ein völliges Verbot von Kurzstreckenflügen, und weitere 32 Prozent waren „eher“ für ein solches Verbot.

Artikel Redaktion Eurailpress
Artikel Redaktion Eurailpress