Wolfram Neuhöfer

„Dornröschen Eisenbahn, wache auf!"

Wachsender Bedarf an energieeffizienten Verkehrsmitteln bei zunehmend schwieriger Versorgung mit fossilen Brennstoffen und der Aspekt Umweltschonung versprechen der Eisenbahn steigende Anteile am Modal Split. Aber die komfortable Ausgangssituation ist keine Garantie, denn die Konkurrenz schläft nicht. Bereits seit Jahren strahlen Flugzeuge immer weniger Lärm ab und ihre Energieausbeute verbessert sich stetig. Im Straßenverkehr als bedeutendstem Wettbewerber zielen vielfältige Aktivitäten auf den Ausgleich von Systemvorteilen der Schiene ab: Im Güterverkehr wächst das Transportvolumen durch Gigaliner und damit die Wirtschaftlichkeit; die elektronische Deichsel erlaubt bald Fahren im Pulk mit nur einem aktiven Fahrer und– aerodynamisch günstig – minimalem Abstand zwischen den einzelnen Wagen; Hybridmotoren und elektrifizierte Magistralen des Straßengüterverkehrs werden absehbar die Abhängigkeit vom Mineralöl senken. Im Personenverkehr steigern neue Fahrerassekuranzsysteme den Komfort für den Fahrer, die Sicherheit und damit auch die Nutzung des Autos: Navigationssysteme, optimale Berücksichtigung der aktuellen Bodenhaftungswerte, Einparkhilfen, automatische Abstandsregelung und selbsttätiges Lenken.

Die Eisenbahn dagegen ist geprägt durch die enge Verknüpfung zwischen Infrastruktur und den Fahrzeugen darauf. Ursprünglich aus dem Anlass der integrierten Organisation, haben die Eisenbahnen davon profitiert, selbst die Rad /Schiene-Schnittstelle national zu optimieren. Zudem hat dieses Modell die Eisenbahnen nach ihrer Blütezeit lange davor bewahrt, sich ernsthaft im Wettbewerb gegen ihre Konkurrenten behaupten zu müssen. Vielmehr sicherten opulente Zuwendungen aus öffentlichen Haushalten die Existenz der vermeintlich unverzichtbaren Eisenbahnen. Aber die Bedingungen haben sich geändert. Jetzt muss der Sektor sich den Herausforderungen stellen und die enge Fahrweg-Fahrzeug-Bindung erweist sich nun als Hürde für die Interoperabilität.

Immerhin zeigen viele Initiativen im Sektor in die richtige Richtung. Aber anders als bei der Konkurrenz lässt die Orientierung auf die Kunden noch zu wünschen übrig.

Aus deren Sicht ist es völlig inakzeptabel, dass der Verkehr für lange Zeit nur für größere Bauarbeiten und selbst kurzzeitig für kleine Maßnahmen eingestellt wird und die Deutsche Bahn AG ihren Fahrgästen im Fernverkehr großräumige Umleitungen und im Nahverkehr Schienenersatzverkehr mit deutlichen Komforteinbußen zumutet und das jeweils mit spürbar längeren Reisezeiten. Immerhin hatte bereits die Deutsche Bundesbahn eine ausgeklügelte Technologie entwickelt, die bei zweigleisigen Strecken die weitgehend planmäßige Abwicklung des regulären Betriebs mit überschaubaren Betriebsbehinderungen auf nur einem Gleis erlaubte. Das Baugeschehen mit umfangreichen Materialtransporten wurde allein auf dem anderen Gleis abgewickelt. Dabei war die Sicherung der Baustelle und des Eisenbahnbetriebs damals wesentlich personalaufwendiger.

Auch die Bahnindustrie lässt Wünsche offen. Weshalb verlängern sich die Öffnungs- und Schließzeiten der Türen in neuen Produkten? Warum werden die Sitze in den Fahrzeugen oft so angeordnet, dass man kaum aus dem Fenster schauen kann aber einen hervorragenden Blick auf die Stützen zwischen den Fenstern hat? Der sich entwickelnde einheitliche europäische Eisenbahnmarkt fordert den Sektor zweifellos heraus, bietet aber auch Chancen für neue Initiativen, die nicht ungenutzt bleiben dürfen.

Dabei soll der Kunde stets König sein!

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Artikel von Standpunkt aus dem EI Ausgabe 2/16
Artikel von Standpunkt aus dem EI Ausgabe 2/16