Steffen Knape
20 % mehr für das Netz: LuFV II stellt hohe Anforderungen
Die Unterzeichnung der zweiten Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV II) von Bund und Deutscher Bahn führt zu einem längst überfälligen Investitionsschub in das Bestandsnetz und stößt bei der Bauindustrie auf
einhellige Zustimmung. Die Mehrmittel sind zusammen mit der Möglichkeit der Übertragung nicht verbrauchter Mittel auf die Folgejahre geeignet, das Bestandsnetz wieder in einen zukunftsfähigen Zustand zu versetzen.
Das deutsche Eisenbahnnetz war in der Vergangenheit chronisch unterfinanziert. Die 2009 in der ersten LuFV angesetzten Mittel waren von Anfang an zu niedrig. Durch den nicht vorhandenen Inflationsausgleich wurde die Situation Jahr für Jahr schwieriger. Diese Entwicklung hat gravierende Spuren hinterlassen:
• Die zu knappen Mittel führten zu einem unzureichenden Planvorlauf, der wiederum zu der grotesken Situation führte, dass diese trotz zu knapper Mittel nicht immer verbaut werden konnten.
• Die Preise für Gleisbauarbeiten sowie die hierfür nötigen Maschinendienstleistungen sind auf ein Niveau gesunken, welches nur mit einem abgeschriebenen Maschinenpark und auf dem Rücken der Mitarbeiter darstellbar ist. Neu- oder Ersatzinvestitionen sind auf diesem Niveau betriebswirtschaftlich nicht darstellbar, die Ausbildung neuer Mitarbeiter
leidet.
• Die Investitionstätigkeit der Gleisbauunternehmen hat stark abgenommen, in den vergangenen Jahren wurden sogar dringend benötigte Ersatzinvestitionen zurückgestellt oder ad acta gelegt. In der Folge ist das durchschnittliche
Maschinenalter gestiegen, die Anzahl der Maschinen hat abgenommen.
• Zahlreiche Firmen haben den Gleisbau aufgegeben, internationale Konzerne dem deutschen Markt den Rücken gekehrt.
• Die Qualität der Infrastruktur hat nachhaltig gelitten, die desaströse Situation bei Brücken ist hier plakatives Beispiel.
Vor diesem Hintergrund stellt ein Sprung des vorhandenen Budgets um 20 % hohe Anforderungen an den Auftraggeber Deutsche Bahn und an die ausführenden Gleisbauunternehmen. Nur gemeinsam und unter geeigneten Rahmenbedingungen kann dies erfolgreich gemeistert werden:
• Vollsperrungen bzw. deutlich längere Sperrpausen mit mehr betrieblichen Freiheiten würden eine wirtschaftlichere Durchführung der Baumaßnahmen erlauben. Personale könnten effektiver eingesetzt, Nacht- und Wochenendarbeiten vermindert werden. Die jährliche Nutzungsdauer
der Maschinen würde verlängert, die Kosten pro Schicht würden sinken.
• Sinnvollere Losgrößen würden bei geringerem Ressourcenverbrauch zu mehr Bauleistung führen.
• Eine Verlängerung der Bausaison bis Weihnachten und ein Start ab Mitte Februar bei gerechter Risikoverteilung würde zu einer deutlichen Entlastung führen.
• Die Motivation der Unternehmen hin zu Innovationen und Investitionen muss durch verbesserte Rahmenbedingungen deutlich erhöht werden.
Die Umsetzung all dieser Punkte wird kurzfristig nicht erreichbar sein. Auch wenn die Investitionsbereitschaft seitens der Gleisbauer wieder steigen sollte und vermehrt ausgebildet wird, stehen zusätzliches Personal und Maschinen nicht zeitnah bereit. Planungen für Bauvorhaben sind auch nicht in unbegrenzter Zahl in der Schublade. Es ist daher damit zu rechnen, dass es in nächster Zeit nicht gelingen wird, die beigestellten Mittel in vollem Umfang zu verbauen. Dies wird politischen Druck erzeugen und birgt die Gefahr der gegenseitigen Schuldzuweisungen.
Ich wünsche mir, dass wir dieser Gefahr begegnen und miteinander Lösungen suchen, dass wir fair im Umgang miteinander (und untereinander) die anstehenden Aufgaben abarbeiten und dem politischen Druck Seite an Seite standhalten, um das Bestandsnetz wieder in einen zukunftsfähigen Zustand zu versetzen.
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