Rudolf Vienenkötter
"Neue Anforderungen an die Eisenbahningenieure"
20 Jahre Bahnreform und die europäischen Regulierungen des Eisenbahnmarktes haben zu einer grundlegenden Änderung bei den Strukturen für Betrieb, Finanzierung, Genehmigung und Aufsicht der Bahnen geführt. Nationale und europäische Verkehrskorridore mit den Anforderungen an die Interoperabilität, grenzüberschreitende Verkehre, einheitliche Sicherheitsvorschriften und neue Umweltgesetze wurden parallel entwickelt. Zusätzlich sind die erhöhten Anforderungen der Öffentlichkeit bei der Entwicklung und Durchführung von Projekten zu berücksichtigen.
Lag der Schwerpunkt der Aktivitäten früher in der Eisenbahntechnik, muss der Eisenbahningenieur heute wesentlich stärker die Belange von Finanzierung und Baurecht beachten. Themen wie Environmental Impact Assessment, Life Cycle Cost, Common Safety Method, Quality Gates und die Mischung aus nationalen und europäischen Standards und Gesetzen prägen heute die Projektarbeit. Sowohl die Inhalte von Fachzeitschriften wie EI – DER EISENBAHNINGENIEUR als auch die Leistungsbilder der Auftraggeber der Bahnen wurden entsprechend angepasst.
Spätestens seit der Daehre-Kommission mit der Bestandaufnahme des Finanzierungsbedarfs für die Erhaltung der Verkehrsinfrastruktur und der Bodewig-Kommission mit den Finanzierungsmodellen ist die Diskussion über den Erhalt der Infrastruktur als Daseinsvorsorge wieder angefacht. Die angekündigten Investitionen in den Erhalt der bestehenden Netze von Straße und Bahn werden zu einer umfangreichen Neuordnung der Aufgaben für den Bauingenieur führen. Hier sind erfahrene Kollegen gefragt, für die „Bauen unter Betrieb“ kein Fremdwort ist. Gleichzeitig führen die Probleme bei Großprojekten dazu, sich eingehender mit den Bürgerrechten zu befassen. Auch hier ist der Bedarf an entsprechend geschulten Mitarbeitern erkennbar. Nicht umsonst wurde durch das Bundesverkehrsministerium ein Handbuch für eine gute Bürgerbeteiligung erarbeitet.
Dies alles verdeutlicht, dass sich der Schwerpunkt der Anforderungen an den Eisenbahningenieur von der Technik immer mehr auf die Themen Baurecht, Finanzierung und Schnittstellenmanagement verlagert. Zusätzlich sind die unterschiedlichen Interessen und Auffassungen der Beteiligten zu beachten. Kenntnisse über Verwaltungsstrukturen, Gesetze, Verfahren und politische Strukturen mit der Einbindung der Bürger gehören heute selbstverständlich zu den Anforderungen, die an einen Eisenbahningenieur in der Projektleitung gestellt werden.
Hier liegt die Chance der Verkehrsplaner und Projektmanager in den Ingenieurbüros. Als Partner von Bahn, Kommunen und Straßenbaulastträgern sind die Verfahren und Strukturen auf beiden Seiten bekannt. Somit kann eine vermittelnde Rolle übernommen werden.
Da die Ausbildung in den Hochschulen immer noch in der Vermittlung des technischen Fachwissens in den einzelnen Vertiefungsrichtungen ihren Schwerpunkt legt, ist hier ein breites Angebot für die Weiterbildung erforderlich. Die VDEI-Akademie für Bahnsysteme unterstützt seit einigen Jahren diese Aktivitäten mit einem umfangreichen Angebot in allen Bereichen der Projektbearbeitung. Die Ingenieure und die zugehörigen Unternehmen unterstützen die Aktivitäten des VDEI sowohl fachlich als auch durch eine intensive Beteiligung an Schulungen und Veranstaltungen.
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