Prof. Dr.-Ing. Markus Hecht

Bahnlärm – auf ein Neues

Viele Leser werden denken: „Schon wieder Lärm!“. Und dennoch: Wir stehen immer noch am Anfang.

Seit über 20 Jahren steht das Thema auf der Agenda, ohne dass eine spürbare Entlastung eingetreten wäre. Auch die seit neuem öffentlichen Zugänge zu den DB-Netz-Bahnlärm-Monitoring-Stationen Osterspai und Bad Salzig zeigen die untragbare Situation auf. Vom Ziel, das bei den konkurrierenden Verkehrsträgern Straße und Luft 55 dB(A) Maximalbelastung für die Anwohner heißt, sind wir noch unglaublich weit entfernt. Überschreitungen von 25 dB in 7,5 m Gleisabstand sind leider keine Ausnahme. Die von der Bundesregierung anvisierte Lärmhalbierung bis 2020 kann höchstens 10 dB bringen. Das ist zu wenig und zu spät. Wie sollen wir mit einer solchen Ausgangslage Akzeptanz als umweltfreundlicher Verkehrsträger finden?

Am Geld liegt es wohl nicht. Das freiwillige Lärmsanierungsprogramm wird seit Jahren aufgestockt.

Das Problem ist die falsche Vorgehensweise. Lärmminderung an der Quelle ist die Ausnahme, stattdessen baut man auf Lärmschutzwände und Schallschutzfenster und im Extremfall die Untertunnelung nur aus Lärmgründen. Lärmminderung am Ursprung, also am Fahrzeug und am Gleis darf dagegen gar nichts kosten. So ist die TSI Noise aufgebaut – einzig bei den Kompositsohlen für Güterwagen ging das Postulat nicht auf. Dabei wäre eine konsequente Lärmminderung an der Quelle zwar nicht kostenfrei, aber wesentlich kostengünstiger und effizienter als die Minderung am Ausbreitungsweg. Auch das alleinige Anprangern des Güterverkehrs reicht nicht. Der Personenverkehr kann sich nur dort hinter dem Güterverkehr verstecken, wo es ihn gibt. Wo nicht, wird deutlich, dass auch der Personenverkehr bis zu 15 dB über den für andere Verkehrsträger zumutbaren Grenzen liegt.

Wir müssen nun auch Tabus angehen, wie: keinerlei Lärmvorgaben für Gleisbaumaschinen im Arbeitsgang, keinerlei Lärm-vorgaben für Bogen- und Weichenfahrt, keinerlei Lärmvorgaben für Stromabnehmer, keinerlei Lärmvorgaben für Gleise (außer für die wenigen besonders überwachten Gleise), keinerlei Lüftungsschalldämpfer in Diesel- und E-Triebfahrzeugen, Lärmaktionspläne, die diesen Namen nicht verdienen – warum sollen nur alle alten Güterwagen TSI-Noise konform werden und alle anderen Altfahrzeuge nicht? … Dies lässt sich mühelos weiter fortsetzen.

Es muss mehr Objektivität in das Thema. Das geht nur mit einem dichten Netz an Lärm-Monitoring-Stationen. An Flughäfen ist das seit Jahrzehnten Standard, bei Straßen an Brennpunkten auch. Bei der Eisenbahn ist das bis auf die oben genannten zaghaften Ansätze nur seit 2003 in der Schweiz üblich. Auch fehlt die Schulung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In Führerständen, im Gleisbau und in den Instandhaltungswerken fehlt es oft an Verständnis für Lärmminderungsmaßnahmen, da die Zusammenhänge nicht bekannt sind. Hier muss schnell und umfassend geschult werden. Solange Bahnlärmminderung ein Spezialisten-Thema bleibt und kein Generalisten-Thema wie in der Luftfahrt ist, können keine kostengünstigen Lösungen gefunden und umgesetzt werden. Auch die eingeschlafene Lärmminderungsforschung muss mit realistischen Zielen wieder aktiviert werden und die Lärmwirkungsforschung für Bahnlärm ernsthaft begonnen werden.

Da im Bahnwesen schnelle Änderungsprozesse typischerweise acht bis zehn Jahre dauern und Lärmminderungen aus physikalischen Gründen erst kurz vor Ende der kompletten Umsetzung wirklich wirken, sollte rasch, vehement und kostenbewusst, wie oben geschildert, umgesteuert werden. Wenn wir wie bisher nur verstärkt weitermachen würden, würde noch sehr viel mehr Geld wirkungsarm ausgegeben werden. Wir müssen umgehend erfolgreicher werden.

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Artikel von Standpunkt aus dem EI, Ausgabe 2/2015
Artikel von Standpunkt aus dem EI, Ausgabe 2/2015