Prof. Dr.-Ing. Jürgen Siegmann
Forschung und Lehre zum Schienenverkehr in Deutschland
Die Bahnsysteme werden an fast allen technisch orientierten Universitäten im deutschsprachigen Raum (DACH) gelehrt. Einen Überblick gibt die Webseite: www.eisenbahnlehre.org Der Bahnbereich wird je Universität mit einem (Cottbus), zwei (Berlin, Braunschweig, Aachen) oder sogar mit 7 Bahnprofessoren in Dresden vertreten. Die Lehre wird von erfahrenen Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeitern durchgeführt. Oftmals werden Referenten aus der Bahnpraxis in Vorlesungen oder Übungen eingeladen. Gute Partner sind dabei beispielsweise DB Projektbau oder DB Systemtechnik, die auch besondere Betreuungsprogramme bieten. Themen für Abschlussarbeiten werden in Kooperation mit Praxispartnern formuliert. In vielen Fällen dienen die Abschlussarbeiten für die Autoren auch zur Kontaktanbahnung für die Berufstätigkeit. Einige gute Arbeiten können darüber hinaus Impulse für die Verkehrswelt setzen oder dienen als Basis für Projektanträge der Universitäten. Es ist darauf hin zu wirken, dass neu zu besetzende Fachgebiete durch die jeweiligen Universitäten alsbald adäquat wiederbesetzt werden. Aktuelle Schlagwörter wie Elektromobilität, Umweltfreundlichkeit im Verkehr, integrale Taktsysteme, Barrierefreiheit, Digitalisierung, Lärmreduktion oder das autonome bzw. automatische Fahren sind zwar in den Bahnsystemen seit langem bekannt und haben in gewissem Umfang auch schon Einzug in die Praxis gehalten, müssen aber noch umfassender weiter erforscht werden. Die EU benennt diese Forschungsaktivitäten plakativ mit dem Programm „shift2rail“, mit dem insbesondere die Verlagerung des Güterverkehrs über große Entfernungen auf die Bahn unterstützt werden soll, was nur durch Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen auf allen Systemebenen geschehen kann. Neben der Lehre findet an den Universitäten auch intensive Forschung statt, aufgeteilt in freie Forschung aus Universitätsmitteln mit dem Ziel einer Promotion, Forschung mit neutraler Förderung (Stiftungen, DFG) und Drittmittelforschung (Industrie, EVU und EIU, sonstige Institutionen wie Ministerien). Enge arbeitsrechtliche Vorgaben (Zeitverträge bis zu sechs Jahren bzw. projektbezogene Vertragszeiträume) haben dazu geführt, dass die Universitäten inzwischen keinen Spitzenplatz in der Attraktivität von Absolventen einnehmen. Den Fachgebieten fällt es daher zunehmend schwer in den eigenen Schwerpunkten den Know-how-Transfer auf neues Personal sicherzustellen. An die jeweilige Hochschule sind relativ hohe Abgaben für die Nutzung der universitären Infrastruktur abzuführen – Mittel, die dann nicht mehr projektbezogen eingesetzt werden können. Nur noch selten haben die ,Drittmittel-Mitarbeiter‘ neben der Projektarbeit noch genügend Zeit für ihre eigene Promotion. Die Wissenschaft hatte und hat eine Vielzahl kreativer Ideen zur Verbesserung des Systems Bahn. Die Förderbedingungen durch die EU werden allerdings im Rahmen von „shift-2rail“ schwieriger. Es bleibt abzuwarten, in welchem Umfang die Hauptakteure, die europäische Bahnindustrie und die großen Betreiber, sich der Unterstützung seitens der Wissenschaft bedienen werden. Sie wären gut beraten, sich über die Teambildung mit den Universitäten kreative Ideen einzukaufen und den Nachwuchs von morgen zu fördern.
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