Peter Gratzfeld

"Auf die Bahn muss Verlass sein"

Gut funktionierende Verkehrssysteme gehören meiner Überzeugung nach mit zu den wesentlichen Erfolgsfaktoren für die wirtschaftliche Stärke und den Wohlstandin unserem Land. Straße und Schiene tragen die hauptsächliche Verkehrslast. Rund 3 Milliarden Personenkilometer und 1,5 Milliarden Tonnenkilometer jeden Tagmachen deutlich, welche enorme Bedeutung diesen beiden Verkehrsträgern zukommt. Dabei nimmt die Verkehrsleistung immer noch weiter zu.
Vor diesem Hintergrund bereitet es mir große Sorge, dass es in Deutschland immer schwieriger wird, die Verkehrsinfrastruktur so weiterzu entwickeln, dass sie auch zukünftig ihre Aufgabe zuverlässig erfüllen kann. Insbesondere große Projekte kommen kaum noch voran. Das liegt nicht nur an den begrenzten Finanzmitteln, die die Öffentliche Hand dafür zur Verfügung stellt, sondern auch daran, dass in unserem dicht besiedelten Land Verkehrsprojekte nur im Konsens mit allen Betroffenen umgesetzt werden können. Das trifft besonders auf die großen und komplexen Projekte der Bahninfrastruktur zu. Hier müssen wir wesentlich besser werden. Die Schweiz macht uns vor, wie man durch frühzeitiges und ernst gemeintes Einbinden der Bürger zu einvernehmlichen und belastbaren Entscheidungen kommt, die dann auch von der Gesellschaft mitgetragen werden.
Es reicht aber nicht aus, eine leistungsfähige Infrastruktur zu besitzen, sie muss auch verlässlich betrieben werden, damit das Verkehrssystem seinen Transportauftragerfüllen kann. Und da hat uns der Streik der GDL in den letzten Wochen eindrucksvoll die Anfälligkeit unseres Bahnsystems vor Augen geführt. Ein System funktioniert nur dann zuverlässig, wenn alle an einem Strang ziehen. Deswegen ist es auch einer Gewerkschaft, die nur einen vergleichsweise kleinen Teil der Bahnmitarbeiter vertritt, gelungen, das gesamte System massiv zu beeinträchtigen. Das rücksichtslose Verfolgen von Partikularinteressen hat damit dem gesamten Bahnsystem enormen Schaden zugefügt.
Schaden haben die vielen Tausend genervten Pendler und Reisende in Deutschland, die nicht rechtzeitig an ihr Ziel kommen. Schaden haben die vielen gewerblichen Kunden, die auf einen pünktlichen Warenfluss angewiesen sind. Schaden hat die Deutsche Bahn, deren Zuverlässigkeit untergraben wird.
Wenn aber das Vertrauen schwindet, dass die Bahn zuverlässig fährt, wird wieder mehr Verkehr vom umweltfreundlichsten Verkehrsträger auf die Straße verlagert anstatt umgekehrt. Diese Entwicklung schadet uns allen, und das können wir als Gesellschaft doch nicht ernsthaft wollen! Hoffentlich bewirkt diese Erkenntnis endlich ein Umdenken. Ich würde es mir sehr wünschen.

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Artikel von Gastkommentar aus der ETR, Ausgabe 12/2014
Artikel von Gastkommentar aus der ETR, Ausgabe 12/2014