Michael Clausecker
"Zulassung aus der Sackgasse führen"
Neue Züge kommen Monate verspätet zum Einsatz. Eisenbahnen müssen Ersatzfahrzeuge einsetzen. Kunden sind unzufrieden. Verbünde streiten mit Bahnen über Vertragsstrafen, Bahnen streiten mit der Industrie über Vertragsstrafen, und die Industrie beginnt Werke zu schließen.
Rund 500 Millionen Euro hat dieses Desaster in Deutschland die Hersteller von Loks, Zügen und ihre Systemlieferanten 2012 im Jahr drei der Zulassungskrise gekostet. Alleine zum Jahreswechsel 2012/2013 standen 140 Fahrzeuge aus elf Fahrzeugbaureihen abgestellt herum, einsatzfähig aber ohne Zulassung.
Hat die Industrie verlernt, wie man Züge baut? Wohl kaum: Aus Deutschland werden Kunden in aller Welt, meist pünktlich und mit erstklassiger Qualität beliefert. Die Exportquote der Bahnindustrie beträgt in Deutschland rund 60
Prozent.
Liegt es daran, dass das Eisenbahn-Bundesamt ein Eisenbahnbummelamt geworden ist, wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung kürzlich schrieb? Oder reichen die Hersteller einfach ihre Unterlagen zu spät ein? Tatsächlich arbeiten die Mitarbeiter des EBA seit Monaten auf Hochtouren, kein Zweifel. Allein, es werden kaum Zulassungen ausgesprochen, sondern immer neue, zusätzliche Nachweise, Gutachten, Versuche gefordert. Tatsächlich liegen regelmäßig keine perfekten Zulassungsunterlagen zum Termin vor. Allerdings: Nur in Deutschland müssen Hersteller heute rund das 10-fache (!) an Dokumenten vorlegen als in vielen anderen Ländern Europas. Nur hier werden bekannte Regeln der Nachweisführung plötzlich grundlegend infrage gestellt.
Es gibt Normen für die Zulassung, die in Gremien entwickelt und überprüft werden. Die Aufgabe der Zulassungsbehörde ist es, deren Einhaltung zu prüfen. Unklarheiten sollten eben diese Normungsgremien oder der sektorweite Lenkungskreis Fahrzeuge klären. Solche, mitunter grundsätzlichen Diskussionen haben im einzelnen Zulassungsverfahren nichts verloren. Dieses ist auch der Geist des Handbuchs Eisenbahnfahrzeuge – man muss es nur anwenden!
Dann würden heute schon viele aktuelle Probleme der erweiterten Nachweisführung und Mehrfachgutachten gar nicht erst entstehen.
Für eine solche Kehrtwende aus der aktuellen Sackgasse bedarf es einer straffen Führung im EBA und der Rückendeckung aus dem Ministerium.
Langfristig muss die Zulassung grundlegend und europakonform reformiert werden. Damit Industrie, Bahnen und Verbünde nicht weiter unnötig Geld verbrennen und ihre Kunden verprellen. Und damit Deutschlands Bahnsektor dauerhaft konkurrenzfähig bleibt.
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