Martin Schmitz
In Zukunft mehr Eisenbahn?!
Zum 18. Mal in Folge stiegen im Jahr 2015 die Fahrgastzahlen im ÖPNV und damit auch im Schienenverkehr. Diese Erfolgsgeschichte zeigt, dass die Anstrengungen und Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung im Schienenpersonenverkehr von den Kunden honoriert werden. Die in vielen evolutionären Schritten eingeführten Innovationen lassen sich jedoch selten so öffentlichkeitswirksam umsetzen, wie es aktuell neue in den Markt drängende Anbieter mit ihren „Produkten“ tun. Diese Anbieter suchen und finden die Lücken in den regulierten Märkten und bieten günstigere Leistungen als traditionelle ÖV-Betreiber, da sie nicht über eigene Infrastruktur oder über eigenes Personal verfügen und die gesetzlichen Standards teilweise umgehen bzw. in Frage stellen. Es ist daher entscheidend, wie die heutigen und zukünftigen Rahmenbedingungen des Öffentlichen Verkehrs determiniert sind, damit für alle dieselben Spielregeln und Anforderungen gelten.
Gewinne zu privatisieren und Verluste zu sozialisieren kann nicht das Ziel in einer Branche sein, die in erster Linie für alle Bürgerinnen und Bürger verlässliche und bezahlbare Mobilität anbietet. Die gesellschaftliche Rolle des Öffentlichen Verkehrs geht künftig noch weiter als bisher über die reine Beförderungsleistung und Daseinsvorsorge hinaus: Das UN-Klimaabkommen von Paris, die Ziele aus dem EU-Weißbuch Verkehr und die Forderungen aus dem Aktionsprogramm Klimaschutz der Bundesregierung zeigen den Weg und die dazugehörigen Rahmenbedingungen unter denen (öffentliche) Verkehrsangebote künftig stattfinden. Und dazu braucht es klare politische Regeln und verlässliche Partner, die sich an diese Regeln halten.
Die angestrebte Dekarbonisierung der Gesellschaft muss außerdem sehr schnell auch preislich bei der Bewertung von Verkehrsleistungen honoriert und berücksichtigt werden. Es ist deshalb falsch, dass aktuell die Lkw-Maut gesenkt wird, während man zugleich Trassenpreise erhöht und die Kosten der Energiewende durch lokal emissionsfrei fahrenden, elektrischen Verkehr mitfinanziert werden. Hieraus erwächst die Gefahr, dass die für die Zukunft wichtigen emissionsfreien Verkehre heute vom Markt verdrängt werden, um diese dann in einigen Jahren wieder mit großer finanzieller Anstrengung aufbauen zu müssen. Insbesondere für den Schienengüterverkehr sind kurzfristige Maßnahmen erforderlich, um den Verlust an Marktanteil aufzuhalten. Der VDV nimmt diese Herausforderungen an und arbeitet mit den im Schienengüterverkehr engagierten Mitgliedern an einer Produktivitätsoffensive: Technologische, betriebliche und kommerzielle Innovationen müssen aus der Branche selbst kommen, um richtige Schritte hin zu einer spürbaren Produktivitätssteigerung auch politisch sinnvoll einzuleiten.
Hierbei müssen wir uns vor allem mit den Potentialen neuer Technologien auseinandersetzen. Welche Chancen bieten uns neue Signal- und Steuerungstechnologien, wie ERCS oder auch Entwicklungen in der Cloud- und Kommunikationstechnologie sowie beim automatischen Fahren? Wir müssen die verschiedenen Entwicklungstrends offen und unter wirtschaftlichen Aspekten vergleichen und zu einer ehrlichen Bewertung kommen. Die Digitalisierung bietet und fordert zugleich in allen Bereichen neue Möglichkeiten. Sich diesen Potentialen zu verschließen, führt zu weiterem Verlust von Marktanteilen und bedroht die Existenz des Schienengüterverkehrs in Deutschland. Die Eisenbahnverbände blicken in diesem Jahr auf eine 170-jährige Vergangenheit zurück. Vielleicht ist das ein guter Zeitpunkt, um mit neuem Mut und Engagement den Blick verstärkt in die Zukunft zu richten.
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