Felix Berschin

Der SPNV Wettbewerb wird erwachsen

Eine Analyse von Felix Berschin, KCW Berlin

20 Jahre nach der Regionalisierung war der letzte Fahrplanwechsel bemerkenswert und gleichzeitig unspektakulär. Hervorzuheben ist, dass dies der erste war, bei dem nun mehrheitlich die Bestandsunternehmen die im Wettbewerb vergebenen Netze verteidigten. Der spektakulärste Betreiberwechsel war in Schleswig-Holstein auf der Marschbahn Hamburg – Westerland, die DB Regio zurückeroberte. Während der DB-Konzern früher offene Ausschreibungen als stupiden Lohndrückerwettbewerb (Ulrich Homburg) gebrandmarkte und lange Fahrzeugbereitstellungsmodelle als Verschwendung von Steuergeldern geißelte, reüssiert DB Regio nun genau auf den Feldern, wo sie sich früher chancenlos sah: offenes Verfahren, Wagenübernahme vom vorherigen Betreiber, Fahrzeuganmietung (Loks und Triebwagen) vom Bereitsteller sowie Übernahme des bisherigen Zugpersonals. 

Wenig aufregend war der Fahrplanwechsel vor allem deswegen, weil die bekannten Fahrzeuglieferprobleme mit wahlweise Pesa Link, Skoda High Speed oder Bombardier Twindexx ausschließlich DB Regio trafen und dort aus Bestandsfahrzeugen abgefangen werden können. Dass die erste nun ins Werk gesetzte Wiedereinsatzgarantie auf der Marschbahn mit dem Totalausfall der Wagen mitten in der Übergabephase schlimmste Befürchtungen zur Funktionsfähigkeit des Modells bestätigt, führt ebenfalls zu wenig Aufgeregtheiten. Nachdem die DB auf Fahrzeugbereitstellungsmodelle wie Metronom, RRX oder S-Bahn Rhein-Ruhr geboten hat und mit Wiedereinsatz-/Kapitaldienstgarantien bzw. Landesfinanzierungen nun zum Zuge gekommen ist, wird auch sie nicht mehr die Fahrzeugübernahme als Teufelszeug darstellen können.

All dies führt zur Erkenntnis, dass der SPNV-Wettbewerb nun endgültig in der Volljährigkeit angekommen ist. Die alten Schlachten wie Direktvergaben, Exklusivbindungen von Herstellern, Fahrzeugfinanzierungsunterstützung durch Aufgabenträger, Personalübernahmen, Tarifvertragsflucht oder Brutto- vs. Nettoverträgen sind geschlagen. Die durch Klagen der DB Regio vereitelten Vergaben an die Wettbewerber wie S-Bahn Mitteldeutschland II (eigentlicher Gewinner Abellio) und S-Bahn Nürnberg (eigentlich NX) könnten zwar den gegenteiligen Eindruck vermitteln – aber zum einen gehen auch andere Unternehmen diesen Weg, zum anderen sind die zwei Nachprüfverfahren in Leipzig und München durch überlange Verfahrensdauer aufgefallen. Dass es auch anders geht, zeigten zuletzt die Verfahren zu den Stuttgarter Netzen: zwei Instanzen in gerade einmal fünf Monaten.

Inzwischen spricht vieles für einen ausgereiften aber auch engen Markt, in dem insbesondere DB Regio nun viel von den Wettbewerbern gelernt hat. Andererseits ist Deutschland nach wie vor hoch attraktiv, wie der Markteinstieg von GoAhead mit dem umgehenden Erfolg in den Stuttgarter Netzen und die Expansionen v. a. von Abellio (Sachsen-Anhalt, RRX, Stuttgarter Netz, S-Bahn Rhein-Ruhr), NX (RRX), Keolis (S-Bahn Rhein-Ruhr) oder Netinera (Saarland) zeigen. 

Unternehmen: Oft noch Verluste

Die von KCW durchgeführten Auswertungen von inzwischen über 350 Wettbewerbsverfahren in Deutschland zeigt nach einem absoluten Tief der Bieterzahlen in Folge der Finanzmarktkrise in den Jahren 2010 und 11 nun wieder eine leicht ansteigende Bieterzahl auf aktuell 2,7 im Schnitt (gewichtet), wenngleich Verfahren mit vier und mehr Bietern wie zuletzt die Stuttgarter Netze eine seltene Ausnahme sind. Da die Vergabeverfahren je Bieter sechs bis bald siebenstellige Beträge kosten, ist es nachvollziehbar, dass die Bieter nun sehr genau ihre Chancen abschätzen und selektiv vorgehen. Offen dürfte allerdings sein, ob im deutschen SPNV genug Geld verdient wird. Die Nervosität des BeNex Investors INPP einschließlich der Klagen gegen seinen Mitgesellschafter Hamburger Hochbahn ist da nur die Spitze eines Eisbergs. Die bislang veröffentlichen Geschäftsberichte deutscher SPNV-Töchter internationaler Unternehmen weisen bestenfalls Umsatzrenditen von 2 % aus. Ob die dagegen soliden Gewinne von DB Regio dauerhaft Bestand haben werden, darf aber bezweifelt werden. RB 

Artikel von Standpunkt aus Rail Business 4/17
Artikel von Standpunkt aus Rail Business 4/17