Dr. Jörg Sandvoss

"Kapazität steigern ist oberstes Ziel"


Alle Prognosen zeigen: Der Verkehr auf der Schiene wird langfristig weiter wachsen – insbesondere auf den ohnehin schon stark belasteten Hauptkorridoren und Knoten der Metropolen. Gut ist, dass dies wichtige Marktanteile für die Bahn bedeutet, sie stellt aber Europas größten Schieneninfrastrukturbetreiber, die DB Netz AG, mit Blick auf die heutige Kapazität des Streckennetzes auch vor große Herausforderungen. Zum einen gilt es, die knappen Bundesmittel für den Ausbau des Streckennetzes vorrangig
zur Engpassbeseitigung einzusetzen. Andererseits steht die DB Netz AG vor der Aufgabe, die Kapazität der bestehenden Bahnanlagen durch intelligente und innovative Lösungen zu erhöhen.

Was ist nun „Kapazität“? Sie beschreibt die Leistungsfähigkeit der Eisenbahninfrastruktur gemessen an der Anzahl der Zugfahrten pro Stunde auf einem bestimmten Streckenabschnitt. Sie hängt entscheidend vom angestreben Qualitätsniveau und vor allem dem Betriebsprogramm ab. Letzteres kann aufgrund der Anforderungen der Eisenbahnverkehrsunternehmen für den Personenoder Güterverkehr auf einzelnen Strecken recht verschieden ausfallen. Exemplarisch seien hier eine zweigleisige Strecke angeführt, die entweder in der Lage ist, bei harmonisiertem Betrieb 24 S-Bahnzüge je Stunde und Richtung oder aber sechs Züge im Mischbetrieb mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten (z. B. InterCity, Güterzüge und Nahverkehr) aufzunehmen.

Die Zugzahl allein ist somit kein aussagekräftiger Indikator für die Leistungsfähigkeit einer Strecke. Um verlässliche Aussagen zur Ableitung kapazitätssteigernder Maßnahmen treffen zu können, ist vielmehr die Betrachtung des funktionalen Zusammenhangs zwischen Belastung (Zugfahrten) und Qualität (Wartezeit) in Abhängigkeit von Leistungsfähigkeit, Menge der Zugfahrten und ihrer zeitlichen Verteilung (Betriebsprogramm) erforderlich.

Um sicherzustellen, dass ein mit der Bundesverkehrswegeplanung kompatibles, langfristig gültiges Konzept für die Ausrüstung der Strecken und Knoten mit betrieblicher Infrastruktur entsteht, hat die DB Netz AG für den Planungshorizont 2025 den sogenannten „Langfristfahrplan“ entwickelt. Dieser baut auf den aktuellen Prognosen des Bundes auf und erfährt demnächst eine Weiterentwicklung für den Zeithorizont bis 2030.

Eine solche auf Marktanforderungen basierte, mit eisenbahnwissenschaftlichen Methoden simulierte fahrplanbasierte Infrastrukturentwicklung stellt die Engpassbeseitigung in den Mittelpunkt der Bewertung von Ausbauplanungen.

Im „Thema des Monats“ befasst sich das vorliegende Heft mit den verschiedenen Methoden, Verfahren und Werkzeugen der Eisenbahnbetriebswissenschaft zur Bestimmung der Kapazität. Darüber hinaus werden anhand von Beispielen aus der Praxis aktuelle Herausforderungen aufgezeigt und Lösungsansätze formuliert. In Zeiten knapper Mittel für den Ausbau des Schienennetzes ist dies ein zentrales Thema der Infrastrukturbewertung.

 

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Artikel von Statement aus der ETR, Ausgabe 10/2012
Artikel von Statement aus der ETR, Ausgabe 10/2012