Dr.-Ing. Werner Weigand
„Zukunftsfahrplan als Teil der Bewertung von Infrastrukturmaßnahmen"
Der Bundesverkehrsminister hat die mit Spannung erwartete „Machbarkeitsstudie Deutschland-Takt“ veröffentlicht. Damit wird einem Auftrag aus dem Koalitionsvertrag der großen Koalition genüge getan: „Die Planung der Schienenwege werden wir am Ziel eines Deutschland-Takts mit bundesweit aufeinander abgestimmten Anschlüssen sowie leistungsfähigen Güterverkehrstrassen ausrichten“. Ziel ist, Infrastrukturplanungen nicht nur an Effekten einer Strecke oder einzelner Knoten, sondern auch auf Anschlussrelationen im gesamten Netz zu messen und so den Nutzen zu optimieren. Vorbild sind dabei Konzepte in Nachbarländern wie der Schweiz.
Wesentliches Ergebnis der „Machbarkeitsstudie“ ist der Nachweis, dass bei zielgerichteten Infrastrukturausbauten die Voraussetzungen für einen Deutschland-Takt im Fernverkehr mit attraktiven Anschlüssen zum Nahverkehr geschaffen werden können. Für den wachsenden Güterverkehr sind im Zielkonzept ausreichend qualitativ hochwertige Trassen einbezogen. Die Gutachter halten die Bundesverkehrswegeplanung als verkehrsträgerübergreifendes Bewertungsinstrument geeignet, Varianten des sogenannten „Deutschland-Taktes“ zu bewerten. Staatssekretär Ferlemann hat inzwischen bekräftigt, dass die Ergebnisse der Studie in die neue Bundesverkehrswegeplanung einfließen werden.
Dem kritischen Leser stellen sich einige Fragen:
Die von den Gutachtern ermittelten Zuwächse im Personenverkehr in Größenordnung von 10 % der Fernreisenden erscheinen im Hinblick auf die Erwartungen bescheiden. Das Fernzugangebot bleibt trotz Ausbau und besserer Anschlüsse in allen Szenarien nahezu gleich.
Mit der Linienplanung und insbesondere dem wirtschaftlich kritischen Bereich zwischen Fern- und Nahverkehr setzt man sich nicht auseinander. Aussagen zur Anschlusssicherheit vermisst man.
Dem Gutachten sind keine Netzgrafik oder Streckenfahrpläne beigefügt. Eisenbahnverkehrsunternehmen und Aufgabenträger des Nahverkehrs können daher die Auswirkungen nicht abschätzen. Mehr Transparenz wäre der erste Schritt zur breiten Mitwirkungsmöglichkeit Betroffener und damit zur Akzeptanz.
Die Empfehlungen zu Infrastrukturmaßnahmen sind teilweise nur schwer nachvollziehbar. Schaut man auf einige der milliardenschweren und nur sehr langfristig realisierbaren Ausbauempfehlungen, fragt man sich, ob nicht durch kleinere Ausbaumaßnahmen und intelligentes Routing im Netz schneller und effektiver Kapazitäten gewonnen werden können.
Im juristischen Teil kommen die Gutachter zum Schluss, dass ein verpflichtender Deutschland-Takt mit der aktuellen Rechtslage nur bedingt vereinbar ist. Sie halten zwei Handlungsalternativen für denkbar: Die Änderung der Eisenbahn-Infrastruktur-Benutzungsverordnung oder eine freiwillige Vereinbarung aller Beteiligten. Ist letztere bei 27 Aufgabenträgern, einer riesigen Anzahl Eisenbahnverkehrsunternehmen und „Open Access“ realistisch?
Fazit: Mit der Einbeziehung von netzweiten Fahrplänen für zukünftige Szenarien der Bundesverkehrswegeplanung ist ein großer Schritt für einen nachhaltigen Ausbau der Bahninfrastruktur getan. Das Vorgehen der Studie – die Bildung von drei Ausbauszenarien unter Berücksichtigung der zeitlichen Realisierbarkeit – ist ein weiterer erheblicher Fortschritt und sollte für die Bundesverkehrswegeplanung Vorbild sein. Die aufgeworfenen Fragen müssen im weiteren Prozess geklärt werden – dazu ist sicher auch weiterer Sachverstand hinzuzuziehen, Betroffene müssen einbezogen werden und Transparenz ist erwünscht.
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