Dr.-Ing. Karsten Gruber
Neue Generation“ ÖPP: Auch für die Schiene?
Infrastruktur und Mobilität sind unverzichtbare Säulen, auf denen Wachstum und Wohlstand industrialisierter Volkswirtschaften beruhen. In Verkennung dieser Tatsache wurde in Deutschland jahrelang zu wenig in den Erhalt und den Ausbau unserer Infrastruktur investiert.
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt sieht in der Ausweitung Öffentlich-Privater Partnerschaften (ÖPP) eine gangbare Lösung zur Verbesserung der Situation bei den Bundesfernstraßen und stellte kürzlich mit der sogenannten „dritten Staffel“ eine neue ÖPP-Generation vor. Dabei verwies er auf positive Erfahrungen: Mit ÖPP werde wirtschaftlicher gebaut, die Bauqualität sei hoch und insgesamt stünden die Straßen ihren Nutzern schneller zur Verfügung. Es handle sich um eine echte Win-win-Situation für Bund, Autofahrer und Investoren gleichermaßen. Aufgrund dieser positiven Erfahrungen hat Dobrindt nun in Abstimmung mit dem Bundesfinanzminister ein Investitionspaket mit einem Volumen von 14 Mrd. EUR geschnürt: Zehn neue Projekte stehen auf seiner Liste; es geht um den Bau sowie den Erhalt und Betrieb von rund 600 km Autobahnen und Bundesstraßen.
Neu daran ist, dass sich erstmals institutionelle Anleger über Projektanleihen in bundesweite Infrastrukturvorhaben einbringen können - eine durchaus attraktive Anlagemöglichkeit in Zeiten niedriger Zinsen. Zugleich wird die Vergütung des Betreibers optimiert: Geld fließt nur bei tatsächlicher Verfügbarkeit der Strecke. Ausgeweitet wird auch der Anwendungsbereich: Projekte zur Erhaltung und zum Lückenschluss sind ebenso enthalten wie Bundesstraßen.
Ausgehend von dieser Situation liegt es nahe, auch für das Schienennetz intensiver als bisher alternative Realisierungswege durch ÖPP in den Blick zu nehmen. Denn der schienengebundene Verkehr wird in den nächsten Jahrzehnten ebenfalls weiterhin deutlich anwachsen. Um die anstehenden Aufgaben zu lösen, muss neben staatlichem auch privates Kapital mobilisiert werden. Die Ausgangssituation dafür ist günstig: Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung liegen bei deutschen Unternehmen immerhin rund 500 Mrd. EUR auf der hohen Kante. Versicherungen, mittelständische Unternehmer und Kleinanleger – sie alle suchen nach sinnvollen Renditemöglichkeiten. Parallel dazu verlangt auch der Zustand unserer Schienenverkehrsinfrastruktur dringend umfassende Maßnahmen der Instandhaltung und Sanierung. Finden Geldgeber und Investitionsziele sinnvoll zusammen, dann ist der Verkehrsinfrastruktur und damit dem Gemeinwohl gedient.
Erfolgreiche Beispiele aus anderen Ländern belegen, dass Öffentlich-Private Partnerschaften eine Alternative zur konventionellen Beschaffung von Infrastrukturvorhaben auch im Bahnsektor sein können. Es muss jedoch nicht immer gleich ÖPP in vollem Umfang sein. Schon einzelne ÖPP-Elemente tragen dazu bei, dass wir Strecken elektrifizieren und reaktivieren können, und dass Stellwerke und Stationen zeitnah, bedarfsgerecht und kosteneffizient gebaut werden. Auch Investitionen in ausgewählte Regionalstrecken bzw. -netze lassen sich mit ÖPP sinnvoll tätigen. Die privaten und gewerblichen Nutzer der Schieneninfrastruktur profitieren von besseren Verbindungen, Reisezeitverkürzungen und potenziell niedrigeren Fahrpreisen.
Die Veröffentlichung der „Neuen Generation“ ÖPP im Bundesfernstraßenbereich sollte aus meiner Sicht Anlass genug sein, darüber erneut nachzudenken.
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