"Der Bund muss wieder die Marschrichtung bei der DB bestimmen"
Nächstes Jahr sind Bundestagswahlen. Wie geht es danach weiter in der Bahnpolitik? bahn manager hat eine Interview-Serie mit Verkehrspolitikern zum Thema gestartet. Teil 1: Michael Donth, CDU-Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Verkehrsauschusses.
Was haben Parteien mit dem Verkehrsträger Bahn vor, sollten sie nach der Bundestagswahl im Herbst 2025 an der Regierung beteiligt sein? Den Anfang unserer Serie macht der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Donth. Im Gespräch verteidigt er zunächst die Bilanz der Regierungen unter Kanzlerin Angela Merkel in Sachen Bahnreformen. Außerdem erklärt er, warum er eine Trennung von Netz und Betrieb bei der Deutschen Bahn für essenziell hält. Das Gespräch führte Eurailpress-Chefredakteur Georg Kern.
Herr Donth, deutlich mehr Geld für die Bahn, eine InfraGo, Generalsanierungen: Wie beeindruckt sind Sie von der Entschlossenheit, mit der die Ampelkoalition Bahnreformen vorantreibt?
Michael Donth: Es ist ziemlich viel los, da gebe ich Ihnen recht. Aber die Qualität von Politik bemisst sich auch immer daran, was am Ende dabei herauskommt. Und da sehe ich viel Aktionismus. Ankündigungen allein bringen die Bahn aber nicht voran.
Das ist eine ziemlich harte Kritik dafür, dass Sie einer Partei angehören, die 16 Jahre lang die Kanzlerin stellte – und für viele Probleme mitverantwortlich ist, die sich im Bahnsektor heute stellen.
Das höre ich natürlich nicht zum ersten Mal – und ja, auch wir haben Fehler gemacht, das will ich hier ganz klar sagen. Aber ich möchte auch zwei Punkte richtigstellen. Die Union hat in diesen 16 Jahren nicht alleine regiert. Deshalb finde ich es immer besonders interessant, wenn diese Kritik von der SPD kommt. Sie war zwölf Jahre lang unser Koalitionspartner. Und: Mit dieser Kritik wird häufig insinuiert, die Union sei in der Bahnpolitik 16 Jahre lang untätig gewesen. Das ist inhaltlich schlicht falsch. Wir haben viele wichtige Dinge angepackt und umgesetzt.
Helfen Sie uns, welche wichtigen Bahnreformen haben CDU/CSU seinerzeit auf den Weg gebracht?
Zunächst würde ich gerne das Beispiel Investitionsaufwuchs, für den sich die Ampelkoalition besonders lobt, erwähnen: Wir haben bereits unter Verkehrsminister Alexander Dobrindt permanent mehr Geld für die Schiene bereitgestellt. Am Ende gab es sogar mehr Geld für die Bahn als für die Straße. Wir haben die LuFV (Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung, Anm. d. Red.) aufgesetzt und damit erstmals die Mehrjährigkeit der Mittel ermöglicht. Mit der LuFV III fließen damit im Zeitraum von zehn Jahren 86 Milliarden Euro in die Schiene.
Ein Kritikpunkt war damals allerdings auch schon, dass der Zeithorizont der finanziellen Planungssicherheit der DB nicht ausreiche...
...auch darauf haben wir reagiert: Die Laufzeit der LuFV III wurde gegenüber der LuFV II auf zehn Jahre verdoppelt. Wenn also jetzt immer ein Fonds für die Branche gefordert wird, sage ich: Wir sind das Problem damals schon angegangen. Und das ist nur ein Beispiel für viele Reformen. Ich erinnere an das Zukunftsinvestitionsprogramm, die Digitale Schiene Deutschland, den Deutschlandtakt, Pilotprogramme für ETCS, für digitale Stellwerke, die Trassenpreisförderung… Was während der Kanzlerschaft unter Angela Merkel passiert ist, ist erheblich. Wir haben keinen Grund, in Sack und Asche zu gehen.
Sie sind da offenbar ganz mit sich im Reinen…
Wie ich bereits sagte: Wir haben nicht alles perfekt gemacht. Und klar, man kann immer noch mehr Geld bereitstellen oder besser steuern. Mir geht es nur darum, das Narrativ, unter den CDU/CSU-geführten Regierungen sei nichts für die Bahn getan worden, als das zu entlarven, was es ist: ein Mythos.
Welche Fehler hat die Union denn seinerzeit gemacht?
Der Hauptfehler war, dass wir den DB-Konzern nicht eng genug kontrolliert haben. Nehmen Sie das Thema Generalsanierungen: Wie oft wurde die Strecke Hamburg – Berlin bereits teilweise gesperrt, um sie zu reparieren? Dennoch soll sie ab übernächstem Sommer generalsaniert werden. Entweder hat man also schlecht repariert, oder man hat die Lage der Strecke grundlegend falsch eingeschätzt. Dafür sind aber die Infrastrukturexperten zuständig; die Politik kann sich da nur beraten lassen. Oder nehmen Sie die Ried-
bahn: Zwecks Sanierung haben wir seinerzeit eine Milliarde Euro ins DB-Eigenkapital gegeben. Später hieß es: Wir brauchen endlich mehr Geld für die Generalsanierung der Strecke. Ich frage mich: Wo ist das Geld geblieben?
Sie werfen der DB Management-Fehler vor?
Ja. Wenn das DB-Management heute mit dem Finger auf die Politik zeigt und Fehler beklagt, dann weisen drei Finger auf das Unternehmen zurück. Und ich nehme von dieser Kritik ausdrücklich die allermeisten Mitarbeiter aus, die nicht in hohen Führungspositionen sind und sehr gute Arbeit leisten. Von der Konzernführung aber hat sich die Politik zu lange blenden lassen, etwa auch von der Erzählung, es brauche ein integriertes Unternehmen, das Netz und Betrieb aus einer Hand managt. 30 Jahre integrierte DB zeigen doch, wohin uns dieses Konzept geführt hat.
Muss man Ihre Kritik am DB-Management so verstehen, dass hohe Führungskräfte ausgetauscht werden, falls die Union den nächsten Kanzler stellt – wonach es derzeit ja aussieht?
Es bringt nichts, vorab solche Überlegungen anzustellen. Es ist aber kein Geheimnis, dass die Union für tiefgreifende Strukturreformen bei der DB wirbt. Daher möchten wir auch über die Frage diskutieren, ob die aktuelle Struktur aus Vorständen und Aufsichtsräten noch die richtige Konstruktion für das Unternehmen ist. Wenn man über solche Veränderungen spricht, stellt sich schon die Frage, ob diejenigen, die jetzt in den Gremien sitzen, die richtigen sind, um diese Reformen durchzusetzen.
Über die von der Union gewünschten Strukturreformen kann man ja einiges nachlesen in einem siebenseitigen Antrag, den CDU/CSU im Juni im Bundestag eingebracht haben und der mehrheitlich abgelehnt wurde. Darin wird unter anderem gefordert, „die Holding der DB aufzulösen“. Herr Donth, das hieße doch nicht weniger, als die Bahnreform von 1994 rückgängig zu machen!
Sie haben selbst eine wichtige Eigenschaft dieses Antrags genannt: Er hat sieben Seiten. Uns ging es vor allem darum, einmal ganz pointiert aufzuschreiben, wohin wir mit unserer Bahnpolitik wollen, in welche Richtung wir den DB-Konzern entwickeln wollen. Über viele Details des Antrags lässt sich streiten, keine Frage. Aber die Grundrichtung macht er sicher deutlich. Beispielsweise, dass wir die Trennung von Netz und Betrieb inzwischen für essenziell halten. Damit wird die Bahnreform nicht komplett rückgängig gemacht, vielmehr würden wir damit den zentralen Bestandteil der Reform, die Wettbewerbsneutralität des Netzes, vollenden.
Zur Trennung von Netz und Betrieb heißt es ganz konkret in dem Antrag, man wolle die Konzernbereiche Netz, Station & Service, Energie und die App Navigator aus dem Konzern herauslösen und zu einer „bundeseigenen weisungsgebundenen Infrastruktur-GmbH“ machen. Das ist doch aber schon weitgehend passiert – inzwischen haben wir eine InfraGO.
Nein, diese, wie sie von der Ampel angepriesen wird, „größte Reform der Bahn seit der Bahnreform“ ist im Ansatz steckengeblieben, vor allem weil man bei der Rechtsform der AG geblieben ist und sich nicht für eine GmbH entschieden hat. Das erschwert die dringend erforderliche Kontrolle der InfraGO durch die Politik. Eine AG wird vom Vorstand geführt und vom Aufsichtsrat kontrolliert – nicht aber vom Eigentümer, also dem Bund. Bei der DB kommt die Komplikation hinzu, dass auch die Holding nochmals eine AG ist. Das führt insgesamt dazu, dass der Bund zu wenig mit seinen Anliegen durchdringt. Deshalb halten wir die GmbH inzwischen für die beste Lösung. Bei dieser kann – und muss – der Eigentümer der Geschäftsführung Vorgaben machen. In der AG darf er das nicht, da entscheiden allein der Aufsichtsrat und die Vorstände.
Sie sagen also: Politiker und Beamte sind die besseren Unternehmer?
Nein, wir wollen sicher nicht zurück zu einer „Beamtenbahn“. Wir machen aber an anderer Stelle, bei der Autobahn GmbH, sehr gute Erfahrungen damit, wenn ein solches Unternehmen von einer professionellen Geschäftsführung gelenkt wird, die auch deutlich enger mit der Politik zusammenarbeitet. Auch bei den Autobahnen hat der Bund gesehen, dass sein Wille nicht immer seinen Vorstellungen entsprechend umgesetzt wurde – dort allerdings von den Ländern. Also hat man die Kompetenzen in einer GmbH zusammengeführt. Das funktioniert gut.
Die InfraGO wird ja aber flankiert mit Maßnahmen, um die Kontrolle des DB-Konzerns zu erhöhen – mit dem Infraplan etwa und einem Sektorbeirat.
Eine AG wird von einem Aufsichtsrat und einem Vorstand kontrolliert und geführt, nicht aber von einem Infraplan. Außerdem: Wir haben bereits einen Bundesverkehrswegeplan und ein Bundesschienenwegeausbaugesetz. Was soll der Infraplan zusätzlich bewirken? Und wie sieht er überhaupt aus? Der Sektorbeirat ist als rein beratendes Gremium von vorneherein ein zahnloser Tiger. Kein Beitrag jedenfalls, damit der Bahneigentümer Bund künftig wieder die Marschrichtung bestimmt.
Im Unionsantrag vom Juni wird auch gefordert, „die bisherige DB-Struktur mit 740 Beteiligungen und Tochtergesellschaften zu entflechten“. Machen Sie es doch bitte mal ganz konkret: Welche drei Unternehmen würden Sie verkaufen?
Auch hier gilt wieder: Mit dem Antrag wollten wir ausdrücken, in welche Richtung wir den DB-Konzern entwickeln wollen. Es handelt sich noch nicht um den final ausgearbeiteten Entwurf einer Bahnreform. Das hätte auch wenig Sinn, denn wir werden ja im Falle einer Regierungsbeteiligung auf Koalitionspartner Rücksicht nehmen müssen. Sie werden von mir deshalb nicht drei Namen von Tochterunternehmen hören, die verkauft werden müssen. Was ich aber sagen kann: Wir hören auch aus dem Konzern selbst heraus, wie komplex er ist und dass er zu viele Wasserköpfe sowie Abstimmungs- und Führungsebenen hat – übrigens ein weiteres Argument, das für eine Trennung von Netz und Betrieb spricht.
Ausgerechnet zur Logistiktochter DB Schenker heißt es in dem Antrag der Union dann aber wieder, sie solle „aus strategischen Erwägungen“ nicht „vorschnell“ verkauft werden. Dabei hat die Ampelkoalition genau diesen Verkauf schon weit vorangetrieben.
Wir lehnen den Verkauf nicht grundsätzlich ab. Wir meinen aber, dass unter anderem die Debatte um den Einstieg von Cosco bei einem Hamburger Containerterminal vergangenen Sommer gezeigt hat, dass dieses Vorhaben nochmals intensiv geprüft werden sollte. Im Sinne zuverlässiger Lieferketten kann es schon von Vorteil sein, entscheidende Elemente in deutscher Hand zu halten. Und auch mit Blick auf den Bahnkonzern selbst haben wir noch Diskussionsbedarf: Wenn wir mehr Güterverkehr auf die Schiene bringen wollen, kann es sinnvoll sein, wenn die Deutsche Bahn Door-to-Door-Lieferketten anbieten kann.
Befürworter des Schenker-Verkaufs wenden an dieser Stelle ein, das Logistikunternehmen sei trotz jahrelanger Konzernzugehörigkeit noch immer nicht ordentlich in den DB-Konzern integriert.
Dann muss eben auch das besser werden. In der Logistikbranche ist derzeit vieles in Bewegung, vieles sortiert sich gerade neu, vor allem wegen der steigenden Klimaschutzanforderungen. Da kann es unter Umständen sehr sinnvoll sein, mit dem Verkauf zu warten.
Wo wir schon beim Güterverkehr sind: Wie schätzen Sie die Arbeit von DB-Cargo-Vorständin Sigrid Nikutta hinsichtlich der Sanierung des Geschäftsbereichs ein?
Frau Nikutta macht gute Arbeit. Der Vorschlag, den Kombinierten Verkehr auf Tochtergesellschaften zu übertragen und Personal abzubauen beziehungweise dorthin zu verlagern, ist schlüssig. Ich verstehe, dass die Gewerkschaften davon nicht begeistert sind. Aber sie sollten sich genau überlegen, wie weit sie in ihrem Widerstand gehen. Die EU-Kommission schaut sich die Lage bei DB Cargo aktuell sehr genau an. Und wir haben bei der Zerschlagung der SNCF-Tochter Fret gesehen, wie es einem Güterverkehrsunternehmen ergehen kann, wenn es sich nicht rechtzeitig reformiert. Um mal eine Metapher aus dem Tierreich zu bemühen: Die DB Cargo steht auf der Liste für bedrohte Unternehmen. Es ist wichtig, dass auch die Gewerkschaften das im Blick haben.
Aufgrund ihrer Gewerkschaftsnähe gilt die SPD vielen als bremsende Instanz bei Bahnreformen. Kann man deshalb davon ausgehen, dass Sie nach der Bundestagswahl lieber mit FDP und Grünen koalieren möchten?
Netter Versuch, aber Sie werden von mir jetzt nicht hören, welche meine Wunschkoalition wäre. Wir kämpfen bei der Union um jede Stimme. Das ist erstmal unser Ziel. Danach sehen wir weiter. Ich wünsche mir, dass die Union die nächste Bundesregierung in starker Position anführt und wir möglichst viele unserer Ziele – nicht nur im Schienenbereich – weitestgehend umsetzen können.
Das Gespräch wurde der gedruckten Augabe 03/2024 von bahn manager entnommen, die am 28. Juni erschienen ist.