August Zierl
"Sicherungstechniker: Fossil oder Chance?"
Mit den ersten Dampfeisenbahnen wurde ein Berufsbild geschaffen, welches bis heute eher einer Berufung gleicht. Der „Ingenieur“, welcher von Gleisbau über Dampflok bis zur Weiche und den ersten Signalen alles erdenken und verstehen musste, hatte nicht zu Unrecht das „Genie“ im Titel. Um 1860 wurden erste mechanische Stellwerke mit Abhängigkeiten gebaut, als Geburtsstunde der Eisenbahnsicherungstechnik wird 1871 die Entwicklung des elektrischen Streckenblocks mit „gegenseitigen Ausschlüssen“ angesehen. All dies stellt bis heute die Grundlagen der Sicherungstechnik dar. Hinter Begriffen wie Fahrwegsicherung, Folgezugsicherung und Gegenzugsicherung stehen wenige organisatorische, jedoch eine Fülle von sicherungstechnischen Voraussetzungen, welche logisch und schaltungstechnisch erfasst und validiert werden müssen. War ein ausreichend sicherer Betrieb anfangs bei geringem Verkehrsaufkommen und Fahrgeschwindigkeiten meist durch organisatorische Maßnahmen gewährleistet, erforderten steigende Verkehrsanforderungen eine Umorientierung, welche in ihren Auswirkungen bis heute das Planen und die Funktion von modernen Eisenbahnsicherungsanlagen prägt: der Mensch wird weitgehend von der Technik überwacht und in seinem Handeln unterstützt, die Vorkehr gegen Fehlhandlungen und die Fehleroffenbarung der technischen Anlagen sind Grundlagen der sicherungstechnischen Planung. Diese Anforderungen an Sicherheit, Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit sind es auch, welche die Leit- und Sicherungstechniker als Spezialisten ausweisen: müssen sie sich doch nach dem (Hoch-)Schulabschluss einer meist komplexen Fachausbildung unterwerfen, bevor sie Eisenbahnsicherungsanlagen planen, betreuen und weiterentwickeln dürfen. Ein Umstand, welchem in der universitären Ausbildung erst jüngst und völlig zu Recht immer mehr Rechnung getragen wird. Ein Umstand auch, der einmal mehr entsprechend der Überschrift für einen jungen Menschen die Frage aufwirft: Hat der Systemspezialist Zukunft? Mechanische Anlagen mit mehr als 80 Betriebsjahren koexistieren bis heute mit elektromechanischen, elektrischen und elektronischen Stellwerken. Aber auch Technologien der Steuerungstechnik wie SPS und FPGA (SpeicherProgrammierbare Steuerungen, Field Programmable Gate Arrays) werden auf ihre Einsatzbereiche im Eisenbahnwesen hin kritisch untersucht.
Effizienzsteigerungsprogramme gipfeln in der konsequenten Umsetzung der Betriebsführungsstrategie der ÖBB mit fünf Betriebsführungszentralen, Datenübertragungs- und Kommunikationsnetzen wie GSM-R sowie ETCS als einheitlichem Sicherungssystem. ERTMS stellt damit eine Herausforderung für die Industrie und eine Grundbedingung für Eisenbahnunternehmen zum europaweit interoperablen Eisenbahnverkehr dar. Hier sind ohne Zweifel Potenzial und Chancen für Generationen von Leit- und Sicherungstechnikern gegeben – und sie werden dringend benötigt werden, meint Ihr August Zierl.
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