Interviews

Tino Bauer

"Ziel: Railport-Netzwerk und gemeinsame Shuttle- Verkehre"

Ein 300 m langer Gleisanschluss, von dem 85 m mit einer 30 m breiten, 10 m hohen und beheizbaren Halle überbaut sind für wetter- und temperaturunabhängige Be- und Entladungen auf Waggonniveau, ausgerüstet mit einem Kran, der 30 t schwere Lasten umladen kann: Das ist der Kern des 8000 m² großen Railports, der am früheren Güterbahnhof Chemnitz-Süd entstanden ist. Im Frühjahr 2015 hat die Bauer Spedition GmbH aus Callenberg in Sachsen den Schienenhafen in Chemnitz eröffnet. Über Start und Zukunftspläne berichtet Tino Bauer, Geschäftsführer des Unternehmens.

Herr Bauer, lohnt sich Ihr Railport schon?

Erste Kunden sind da und es gibt viele gute Gespräche mit potenziellen Kunden. Ich bin sehr optimistisch. Wenn es weiter gut läuft, wird es sich auch lohnen.

Und bis dahin?

Das Angebot ist eine Ergänzung und Alternative zu unseren bisherigen Transportrouten, die überwiegend über die Straße führen. Ich gehe fest davon aus, dass wir profitabel arbeiten können.

Warum?

Im Güterverkehr kommen riesige Herausforderungen auf die Branche zu. Die drei wichtigsten sind der demografische Wandel, der unter anderem dafür sorgt, dass Fahrerstellen schon heute nur schwer zu besetzen sind. In Deutschland werden bereits bis zu 30 % osteuropäische Fahrer beschäftigt. Zweitens ist die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland und speziell in Sachsen zwar sehr gut ausgebaut, aber zumindest auf der Straße bereits am Limit der Auslastung angelangt. Hinzu kommen Herausforderungen wie zum Beispiel die anstehenden Brückensanierungen. Die Infrastruktur wird
künftig nicht besser werden, den Stand von heute zu halten, ist schwer genug. Und drittens: Der Güterverkehr in Deutschland wird weiter wachsen, wie etwa in der Verkehrsverflechtungsprognose 2030 für den Bundesverkehrswegeplan 2015 genannt. Das wird die Situation bei Fahrern und Infrastruktur verschärfen und zwangsläufig zur Ausnutzung aller Potenziale auch anderer Verkehrsträger als der Straße führen. Hier sehe ich vor allem die Schiene vorn. In den Neuen Bundesländern zumindest gibt es noch ausreichend Netzkapazitäten, um einiges auf die Schiene zu verlagern. Zudem gibt es genügend Güter, die schon heute nicht auf der Straße transportiert werden
müssten.

Und warum soll sich ein Railport ausgerechnet in Chemnitz lohnen?

Wir sind in der Region einzigartig, es gibt keine vergleichbare Anlage im Umkreis, die Anschlussgleise sind zum Teil zurückgebaut worden. Hier hat sich die DB AG den Ast abgesägt, auf dem sie selbst sitzt.

Wie stellt sich die Zusammenarbeit mit DB Schenker Rail dar?

Das Unternehmen ist durchaus interessiert, mit Railports zusammenzuarbeiten. Beide Seiten können sich ergänzen.

Passiert das aktuell schon?

Zum Teil. Die Bahnen müssen Gleise und Wagen stellen, die Mittelständler müssen die Anschlussgleise und Transporte organisieren. Es kommt auf die Kombination an. Die Ziele aller Partner sind gleich: Sie wollen mehr Verkehre auf die Schiene setzen.

Eigene Züge betreiben Sie also nicht?

Nein, wir bedienen uns der Leistungen von Nichtbundeseigenen Bahnen und der DB AG auf der Schiene.

Was sind die idealen Kunden für Railports?

Solche mit regelmäßigen Transporten und größeren Mengen – gern Papier, Stahl, Lebensmittel, palettiertes Stückgut oder Lieferungen für die Automobilindustrie. In Sachsen sitzen viele Unternehmen dieser Branche. Sie sind prädestiniert für Transportlösungen, die unseren Railport einbeziehen. Ab 400 km Strecke werden die Verkehre preislich interessant. Gern arbeiten wir auch mit Mittelständlern. Wir sind ja selbst einer, verstehen ihre Sorgen und können Transportleistungen bieten, bei denen alles aus einer Hand kommt, ob LKW oder Schiene. Wir garantieren einen diskriminierungsfreien Zugang aller Beteiligten.

Und Sammelgut?

DB Schenker Rail wirbt mit Railports – sie werden von der DB auch als multimodale Logistikzentren bezeichnet – die auch für kleinere Mengen geeignet sein sollen. Sammelgut ist schwierig. Eine Superchance ist aber ein Railport-Netzwerk für Einzelwagenverkehre. Natürlich muss auch hier die Wirtschaftlichkeit gegeben sein. Aber nach einer eventuell erforderlichen An-schubfinanzierung durch den Staat für eine solche Vernetzung könnte es funktionieren. Bedarf und Interesse sind da.

Andere sagen, der Einzelwagenverkehr sei tot.

Nein, auf keinen Fall. Er ist ein wichtiges Element des Schienengüterverkehrs, erfordert allerdings künftig viel Energie, um wieder auf wirtschaftlich tragfähige Füße zu kommen. Wichtig wäre es, diese Verkehre zunächst auf bestimmten wirtschaftlich starken Relationen wieder aufzubauen,
etwa im Raum Mannheim/Karlsruhe /Frankfurt am Main oder dem Ruhrgebiet.

Lässt sich dann die Konkurrenz durch Lkw in diesem Bereich eindämmen?

Ja, denn die Bahn ist nicht zu teuer, der Lkw ist zu billig. Das wird sich ändern, wenn die Kapazitäten knapp werden. Darüber hinaus bieten etwa Lang-Lkw nur Lösungen für ein kleines Segment an Gütern und Transporten, sie sind keine echte Konkurrenz für die Schiene. In Zukunft muss generell wieder umgedacht werden und der Spediteur seine wahre Funktion als Architekt des Güterverkehrs wieder einnehmen.

Gibt es eigentlich eine Definition für Railports?

Nein, keine klare. Die meisten sind Speditionsanlagen mit Gleisanschluss und idealerweise Umschlageinrichtungen für intermodalen Verkehr sowie Lagermöglichkeiten. Sie verbinden die Vorteile von Schiene, Straße und regionalem Lager.

Wie viele Railports gibt es in Deutschland derzeit?

Das kann ich nicht beantworten. Sicher aber zu viele, die nicht genutzt werden beziehungsweise ungenutzt brach liegen.

Inwiefern arbeiten Sie bereits mit anderen Railport-Betreibern zusammen?

Wir arbeiten derzeit an Netzwerken mit einigen Interessenten.

Sie haben im vergangenen Jahr angekündigt, dass am Railport Chemnitz Platz für eine zweite Ausbaustufe ist. Wann kommt die?

Dafür ist es noch zu früh. Wir sind stolz auf den Riesenschritt, den wir schon getan haben. Nun werden wir versuchen, im ersten Halbjahr 2016 zunächst mal einen Piloten zu starten, der einige Railports verbinden wird zwischen Norddeutschland und hier speziell Hamburg und Chemnitz.

Wer sind bei diesem Vorhaben Ihre Partner?

Ich arbeite derzeit im Arbeitskreis Schiene im Deutschen Speditions- und Logistikverband mit und bei der IHK Chemnitz an der Initiative In-Rail-Cargo 2020, die wiederum darüber hinaus unterstützt wird von den Wirtschaftsförderungen in Sachsen.

Was bedeutet dieses Pilotprojekt für die Zukunft?

Unsere Hoffnung liegt auf Shuttle-Zügen zwischen Railports. So könnten sowohl eine akzeptable Laufgeschwindigkeit als auch eine profitable Auslastung zustande kommen. Ziel für die nächsten Jahre ist also ein Railport-Netzwerk und die Organisation gemeinsamer Verkehre.

Wie soll das gehen?

Die Bahnen sollten die Chancen erkennen, die privat betriebene Railports bieten. Beispielsweise sollte es bei der DB AG einen Verantwortlichen geben, der genau diese Sache vorantreibt und die Zusammenarbeit koordiniert. Dies kann nicht die Politik übernehmen.

Dann wäre nur die DB AG als Bahn mit im Boot.

Es könnte auch ein Operateur eingesetzt werden, der neutral und unabhängig agiert, ähnlich einer Kombiverkehr GmbH. Ich kann mir aber ebenso einen Operateur wie Transa vorstellen, der durch ein Regelwerk zur Neutralität gezwungen wird. Weitergehend wäre die Kombination von Einzelwagenverkehren mit diversen Ganzzügen, wie sie im Seehafenhinterlandverkehr laufen, in einem Zug wünschenswert. Der diskriminierungsfreie Zugang zu unserem Railport in Chemnitz ist zumindest bereits gewährleistet. Alle Spediteure und Unternehmen der Region können ihn gern nutzen.

Artikel von Interview aus Güterbahnen Ausgabe 4/15
Artikel von Interview aus Güterbahnen Ausgabe 4/15