Interviews

Thomas Hailer

"Den 'Fluch der ersten Zeit' vermeiden"

Infrastruktur in Deutschland braucht mehr Geld und effizientere Verfahren. Thomas Hailer, Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums, beschreibt mögliche Maßnahmen zur Effizienzsteigerung.

1. Das Deutsche Verkehrsforum hat aktuell eine Umfrage durchgeführt, wie die Bürger den Zustand der Verkehrswege wahrnehmen. Was sind die Ergebnisse?

Die Deutschen nehmen eine deutliche Verschlechterung der Verkehrswege wahr. Acht von zehn Bürgern finden, dass bei ihnen der Zustand der Verkehrsinfrastruktur über die vergangenen Jahre schlimmer geworden ist. Dabei sehen 58 % der Bürger sogar eine deutliche oder sehr deutliche Verschlechterung. Die Liste der wahrgenommenen Schäden führen Schlaglöcher an, doch auch Brückensperrungen, zunehmender Schienenersatzverkehr und Verschlechterungen für den ÖPNV werden bemängelt. Wir haben dabei nicht nur ein generelles Instandhaltungsproblem. Die Erfahrungen der Bürger zeigen ein deutliches Qualitätsgefälle zwischen Stadt und Land. Gerade Kleinstädte drohen abgehängt zu werden. Diese Aussagen sind alarmierend und eine dringende Aufforderung an den Staat, Abhilfe zu schaffen.

2. Sie haben ein Zukunftsprogramm Verkehrsinfrastruktur erstellt. Darin fordern Sie unter anderem mehr öffentlich-private (ÖPP)-Projekte. Warum? ÖPP-Projekte sind sicher kein Allheilmittel. Doch können sie eine sinnvolle Beschaffungsvariante sein. Sie helfen, die Effizienz in der Planung und beim Bau zu steigern. Eine besondere Bedeutung können ÖPP-Projekte im Hinblick auf die Erhaltungsdebatte haben. Denn der ÖPP-Betreiber verpflichtet sich, den Erhalt der Infrastruktur über die gesamte Vertragslaufzeit, das heißt bis zu 30 Jahren, zu garantieren. Dadurch kann man sicher sein, dass der Erhalt so gesteuert wird, wie es notwendig ist. Denn wenn frühzeitig repariert und saniert wird, ist dies günstiger als „Erhalt nach Kassenlage“. ÖPP-Projekte als Beschaffungsvariante sind deshalb erfreulicherweise auch Bestandteil des Koalitionsvertrages. Bisher wurden sie jedoch nur im Straßenbau verwirklicht. Bei der Schiene sind sie allerdings schwieriger zu realisieren, da der Bahnbereich und hier vor allem die Refinanzierung wesentlich komplexer ist.

3. Wichtige Bestandteile Ihres Zukunftsprogramms sind Effizienzsteigerung und Kostentreue. Einige Schienenprojekte zeigen sehr spektakulär, wie die Kosten aus dem Ruder laufen können. Was ist zu tun?

Es gilt, den „Fluch der ersten Zahl“ zu vermeiden. Bei Ausschreibungsverfahren muss sich die Öffentliche Hand nach aktueller Rechtslage immer für den billigsten Anbieter entscheiden – dadurch sind die ersten Kosten-Zahlen häufig zu niedrig angesetzt, der Bau verteuert sich aber im Anschluss zum Beispiel durch Nachträge. Ein zweiter Kostentreiber sind die langen Planungs- und Realisierungszeiten. Wenn ein Projekt 10 Jahre bis zur Realisierung braucht, steigen allein bei 2 % Teuerungsrate für Bauleistungen die Kosten um 20 – 30 %. Zum Dritten kommen dann oft noch politisch indizierte Kosten hinzu, wie zusätzliche Haltestellen oder Anbindungen.

4. Sie fordern deshalb andere Ausschreibungsverfahren?

Ein Weg, eine zu niedrige Kosteneinschätzung zu vermeiden, besteht darin, bei Ausschreibungsverfahren grundsätzlich das billigste Angebot zu streichen. Luxemburg und die Schweiz praktizieren dies schon, in Deutschland ist dies bei augenblicklich geltendem Ausschreibungsrecht nicht möglich. Außerdem sollte auch bei den Ausschreibungen der Erhalt über den Lebenszyklus stärker beachtet werden.

5. Ein „Partnering“ soll Gewinn und Verluste bei schneller Bauabwicklung beziehungsweise Verzögerung gerechter verteilen. Was ist darunter zu verstehen?

Dies ist ebenfalls ein Instrument, mit dem man sich vom reinen Preiswettbewerb distanzieren kann. Beim Partnering kommen beide Seiten, privates Bauunternehmen und öffentliche Hand überein, partnerschaftlich sowohl von Kostenunterschreitungen zu profitieren als auch bei Überschreitungen die Verluste gemeinschaftlich zu tragen.

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Artikel von Interview aus der ETR, Ausgabe 5/2014
Artikel von Interview aus der ETR, Ausgabe 5/2014