Sandra Gott-Karlbauer
"Trends: Energieeffizienz und Wartungsfreundlichkeit"
Sandra Gott-Karlbauer verantwortet als CEO Urban Transit der Siemens AG die Produktion und den Vertrieb von U-Bahnen, Straßenbahnen, Reisezugwagen, Elektro-Bussen sowie Fahrzeugen für den fahrerlosen Betrieb weltweit.
1. Was sind augenblicklich die wichtigsten Trends bei Fahrzeugen für den Stadt- und Nahverkehr?
Die wichtigsten Trends sind sicherlich Energieeffizienz und Wartungsfreundlichkeit, subsumiert unter das Thema Lifecycle-Costs. Wartung und Energieverbrauch sind über die Lebenszeit der Wagen gesehen die größten Kostenfaktoren. Deshalb setzen wir bei unseren Produkten hier den Schwerpunkt. So konnten wir beim neuen Inspiro, wie er bei der Metro Warschau eingesetzt wird, den Wagenkasten 10 % leichter machen. Wir haben hierfür die Wandstärken reduziert und multifunktionale Profile eingesetzt, also durch einen Kanal die Verkabelungen für mehrere Funktionen gezogen. Die Klimaanlage funktioniert über einen Luftsack und ist dadurch viel leichter. Außerdem haben wir einen neuen Alu-Kork-Sandwichfußboden entwickelt, der vom Gewicht her leichter ist als bisherige Böden. Er ist effizienter in der Produktion und gleichzeitig schalldämmender und isolierender.
2. Ist Energieeffizienz ein typisch europäisches Thema?
Der Vorreiter ist 100prozentig Europa. Energieeffizienz spielt hier als Auswahlfaktor in Ausschreibungen eine immer größere Rolle. Doch auch in Asien kommt das Thema zunehmend zum Tragen. So gab es jetzt eine Ausschreibung in Delhi, die den Fokus dezidiert auf Energieeffizienz legte. In den USA hoffen wir ebenfalls auf eine entsprechende Entwicklung. Dort ist der Markt aber noch nicht ganz so weit.
3. Welche Rolle spielt heutzutage das Design?
Intelligentes Design ist sehr wichtig, damit mehr Menschen die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen. Wenn der öffentliche Verkehr im Modal Split gewinnen will, muss sich der Fahrgast in den Fahrzeugen sicher und bequem fühlen. Jährlich kosten die Staus auf Deutschlands Straßen rund 2 Mrd. EUR. Umwelt und Lebensqualität verschlechtern sich durch den motorisierten Individualverkehr. Hier muss etwas passieren. In Designfragen arbeiten wir deshalb eng mit BMW DesignworksUSA zusammen. Auch gehen wir Entwicklungspartnerschaften mit Herstellern ein, beispielsweise mit Osram, um neue Leuchten zu entwickeln. Denn Licht beeinflusst stark, wie sich jemand fühlt, aber auch, wie er sich verhält. Je nach Lichtfarbe steigt oder sinkt die Vandalismus-Neigung. Auch Duftgeneratoren haben wir entwickelt, da Düfte die Stimmung ebenfalls beeinflussen. Für meine Technikkollegen hörte sich dies alles zuerst ziemlich schräg an, doch der Trend geht eindeutig in diese Richtung. In der Autoindustrie sind diese Maßnahmen schon weit verbreitet. Unter intelligentem Design verstehe ich aber auch Entwicklungen wie unseren Light-Tree, eine Haltestange, an der sich 10 Fahrgäste festhalten können, ohne sich zu berühren oder ein Fahrzeugdesign, das alle Schaltschränke in Decke oder Boden integriert und so den ganzen Innenraum den Fahrgästen überlässt.
4. In Deutschland werden immer häufiger Stimmen laut, die die Schiene als zu teuer ablehnen und den Bus favorisieren, Beispiel Hamburg. Was antworten Sie?
Es gibt keinen grundsätzlichen Gegensatz Schiene versus Bus. Ausschlaggebend für die Entscheidung ist, wie viel Menschen Sie in welcher Zeit, mit wie vielen Haltestellen, transportieren wollen. Die Systeme bauen aufeinander auf. Mit den E-Bussen wird zusätzlich das Thema Energieeffizienz umgesetzt. Wir erweitern bei Siemens im neuen Geschäftsjahr unser Portfolio mit dem Thema Elektro-Bus. Dabei geht es nicht um den Bau neuer Busse, sondern das Ausrüsten bestehender Fahrzeuge. Und wir decken somit die ganze Bandbreite an Fahrzeugen für den städtischen Verkehr ab.
5. Wie wichtig sind vollautomatische Systeme?
Diese Systeme kommen. Vollautomatisch können sie kurze Taktungen und damit einen höheren Durchsatz erreichen. Der Metro- Markt geht deshalb zu 50 % in die Vollautomatisierung. Beim Aufbau neuer Metro- Systeme ist die Vollautomatisierung beinahe Standard. Bei vorhandener Infrastruktur verläuft die Einführung etwas verlangsamt, weil der vollautomatische Betrieb in Verkehrsbetrieben mit vorhandenem Fahrpersonal ein Politikum ist. Diese Unternehmen ordern eher Fahrzeuge, die bei Bedarf auf vollautomatischen Betrieb umgerüstet werden können.
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