Interviews

Prof. Dr. Corinna Salander

„Sich auf dem europäischen Parkett bewegen lernen"


Prof. Dr. Corinna Salander baut den Lehrstuhl Schienenfahrzeugtechnik in Stuttgart um. Die promovierte Physikerin arbeitete bei der Deutschen Bahn und der Europäischen Railway Agency (ERA) sowie zuletzt bei Bombardier.

1. Sie leiten seit November 2014 den Lehrstuhl Schienenfahrzeugtechnik am Institut für Maschinenelemente der Universität Stuttgart. Was sind Ihre Schwerpunkte?
Im Augenblick hat Priorität, eine gute, umfassende Lehre zu garantieren. Schienenfahrzeugtechnik in Stuttgart gibt es schon seit über 100 Jahren. Seit den 1930er-Jahren wurde die Lehre allerdings von Honorarprofessoren von der Reichs- und Bundesbahn abgedeckt. So können die Studierenden zwar augenblicklich im Rahmen ihres Maschinenbaustudiums Themen aus der Schienenfahrzeugtechnik belegen, aber nicht im Master Maschinenbau als Spezialisierungsfach wählen. Das ändert sich ab Wintersemester 2015.

2. Was verstehen Sie unter guter, umfassender Lehre?
Eine gute Ausbildung in Schienenfahrzeugtechnik muss meiner Ansicht nach aus zwei Bausteinen bestehen. Zum einen benötigen die Absolventen solide technische Kenntnisse des Systems Bahn. Zum anderen müssen sie aber auch über gute Kenntnisse der rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen verfügen. Wenn sie die Uni Stuttgart verlassen, sollen sie die EU-Gesetzgebung nicht nur kennen, sondern auch wissen, wie sie sich aktiv bei der Entstehung und Veränderung von EU-Normen  beteiligen können. Dafür plane ich ein Seminar, in dem wir mit den Studierenden das Verhandeln in europäischen Gremien trainieren.


3. Die Lehre spiegelt ihren Lebenslauf wieder?
Aus meiner Zeit bei der Industrie weiß ich, dass es hier Defizite gibt. Die technische Qualifikation der deutschen Absolventen ist zweifellos sehr gut. Doch heute ist mehr notwendig, um die Wettbewerbsstellung des Systems Bahn in Europa zu verbessern. Ingenieure müssen sich auf dem europäischen Parkett bewegen können. Diese Ausrichtung, die ich der Lehre am Institut für Schienenfahrzeugtechnik gebe, war Teil des Berufungsverfahrens. Die Berufungskommission stimmte mit mir darüber überein, dass die Uni Stuttgart mit dieser Vertiefung ein Profil gewinnt, das für Studierende wie für die Bahnindustrie sehr attraktiv ist.


4. Was sind Ihre Forschungsfelder?
Augenblicklich zeichnen sich vier zukunftsweisende Themenfelder ab, die wir in den kommenden Jahren ausbauen wollen: Fertigungsmethoden für Antriebskomponenten, der Einsatz von Zuverlässigkeitsbewertungsmethoden  in der Bahnindustrie mit ihren kleinen Stückzahlen, intelligentes Bremsmanagement sowie der Einsatz von Fahrerassistenzsystemen.


5. Ihre Professur ist eine Stiftungsprofessur. Sind dies die Themen, die sich der Stiftungsrat mit Mitgliedern wie Knorr Bremse oder Voith Turbo Rail wünscht?
Forschung und Lehre sind in Deutschland frei. Trotz Stiftungsprofessur bin ich zur Universitätsprofessorin auf Lebenszeit ernannt worden und damit Landesbeamtin und unabhängig, dennoch verschwinde ich nicht im Elfenbeinturm. In der Schienenfahrzeugtechnik gibt es keine Grundlagenforschung im klassischen Sinn. Ich forsche entlang der wahren Bedürfnisse der Branche. Mit meiner Forschung und meiner Lehre möchte ich dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit des Systems Bahn zu stärken. Die Tatsache, dass ich eine Stiftungsprofessur innehabe, erleichtert dies, denn der Kontakt zur Industrie ist schnell gefunden.  

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Artikel von Interview aus der ETR Ausgabe 9/2015
Artikel von Interview aus der ETR Ausgabe 9/2015