Interviews

Prof. Christian Böttger

Kostensenkung stabilisiert die Unternehmen

Der Berliner Wirtschaftswissenschaftler Prof. Christian Böttger zu den Auswirkungen der Trassenpreishalbierung für den Schienengüterverkehr 

Herr Prof. Böttger, das Projekt „Trassenpreishalbierung für den Schienengüterverkehr“ findet in der Verkehrspolitik Unterstützung. Welchen Effekt erwarten Sie durch die Halbierung?

Zuerst einmal verbessert eine Halbierung der Trassenpreise die wirtschaftliche Lage der Branchenunternehmen. Die Margen der im Schienengüterverkehr tätigen Unternehmen sind heute nach Analysen der Bundesnetzagentur bedrohlich niedrig. Auf der anderen Seite steht zu erwarten, dass die niedrigen Trassenpreise es den Güterbahnen ermöglichen, Neuverkehre zu gewinnen und damit zur Verkehrsverlagerung beizutragen  

Ursprünglich war der Gedanke der Bahnreform auch der, dass die Eisenbahnen die Wegekosten selbst tragen sollten, wobei der Bund die Investitionen übernehmen wollte. Ist die Trassenpreishalbierung ein Eingeständnis, dass der Finanzierungskreislaufschiene gescheitert ist?

Spätestens mit der LuFV I war deutlich, dass die Eisenbahn ihre Wegekosten nicht decken kann. Allerdings sollte dabei erwähnt werden, dass die Schiene zahlreiche Lasten trägt, die andere Verkehrsträger nicht tragen. Die Schiene als umweltfreundlichsten Verkehrsmittel muss als einziger Verkehrsträger Kosten der Energiewende tragen. Von der Eisenbahninfrastruktur wird erwartet, dass das Eigenkapital des Bundes „kapitalmarktadäquate“ Gewinne erwirtschaftet – dieser Forderung unterliegt kein anderer Verkehrsträger.  

Der Wettbewerbsdruck in der Güterverkehrsbranche ist extrem hoch. Rechnen Sie damit, dass eine Trassenpreishalbierung auch die Ertragssituation der Güterbahnen verbessert?

Ein Teil der zusätzlichen Erlöse wird vermutlich als Preissenkung an die Kunden weitergerecht werden – ich denke aber, dass ein erheblicher Teil der Kostensenkung wirklich der Stabilisierung der Verkehrsunternehmen dienen wird.  

Sehen Sie ein Problem darin, dass es zur Trassenpreisdämpfung unterschiedliche Methoden geben wird: Deckelung nach Verfügbarkeit der Regionalisierungsmittel im Nahverkehr und Halbierung im Güterverkehr?

Das gesamte Genehmigungsverfahren für die Trassenpreise gemäß ERegG zur Ermittlung der Kosten und zur Umlage auf die Verkehrsarten ist nach meinem Eindruck misslungen. Das Verfahren ist für alle Beteiligten schon heute sehr aufwändig, viele Regelungen sind unklar formuliert, es wird über Jahre Gerichtsverfahren zur Klärung geben. Mit der Trassenpreishalbierung wird das System vermutlich noch komplizierter. Ich erkenne derzeit leider keine politischen Ansätze zur Vereinfachung des Verfahrens.  

Die Binnenschifffahrt macht geltend, eine Trassenpreissenkung werde zu ihren Lasten gehen. Sehen Sie das Problem einer Wettbewerbsverzerrung zwischen Schiene und Schiff?

Ich gehe davon aus, dass die meisten Effekte in Marktsegmenten entstehen werden, in denen das Binnenschiff nicht in unmittelbarer Konkurrenz zur Schiene steht. Vor dem Hintergrund der geringen Wegekostenanlastung der Binnenschifffahrt sehe ich in dieser Relation auch kein echtes Verzerrungsproblem. 

Wird die Regulierung der Trassenpreise für den Güterverkehr überflüssig?

Die Bedeutung der Trassenpreise für den Schienengüterverkehr sinkt natürlich. Aber die Trassenpreise bleiben trotzdem ein Kostenfaktor für die Schienenverkehrsunternehmen. Sie werden auch nach einer einmaligen Halbierung weiter steigen. Die Betreiber im Schienengüterverkehr müssen auch weiterhin  zu Planungszwecken über anstehende Kostensteigerungen informiert sein.

Artikel von Interview aus Rail Business, Ausgabe 18/17
Artikel von Interview aus Rail Business, Ausgabe 18/17