Maria-Theresia Röhsler
"Neue Aufgaben für die Schienen-Control – die Regulierungsbehörde zieht Bilanz"
Maria-Theresia Röhsler ist seit eineinhalb Jahren Geschäftsführerin der Schienen-Control. Der Markteintritt der WESTbahn Management GmbH beschäftigte den Regulator ebenso wie die Fahrgastrechte. Von diesen und anderen Aufgaben erzählte Röhsler der ETR-Austria in einem Gespräch.
Frau Röhsler, was sind die wichtigsten Aufgaben der Eisenbahn-Regulierungsbehörde?
Einerseits sorgen wir dafür, dass der Wettbewerb zwischen den Konkurrenten den gesetzlich vorgegebenen Regeln folgt und dass ihnen der Marktzugang diskriminierungsfrei ermöglicht wird. Andererseits sind wir als Schlichtungsstelle für Bahnkunden in Österreich tätig. Wir kümmern uns um die Einhaltung der Fahrgastrechte und verhelfen Fahrgästen in Streitfällen mit Bahnunternehmen ohne Gerichtsweg rasch, unkompliziert und kostenlos zu ihrem Recht. Letztlich geht es um Fairness gegenüber dem Fahrgast und um Fairness unter den Mitbewerbern.
Sie sind seit rund eineinhalb Jahren Geschäftsführerin der Schienen-Control, was waren die Highlights in diesem Zeitraum?
Im Personenverkehr erfolgte Ende 2011 der Markteintritt der WESTbahn Management GmbH. Das war ein wichtiges Ereignis, das fast zeitgleich mit meinem Antritt als Geschäftsführerin der Schienen-Control stattfand. Die neuen Schnellzüge zwischen Wien und Salzburg markieren die faktische Liberalisierung des Personenfernverkehrs in Österreich. Theoretisch war diese Möglichkeit bereits seit 1998 gegeben, in der Praxis hatte bis 2011 nur der CityAirportTrain davon Gebrauch gemacht.
2012 war ein intensives Jahr in der internationalen Zusammenarbeit, mit zahlreichen Treffen der Arbeitsgruppen. Wir setzen uns gemeinsam dafür ein, dass in ganz Europa ein einheitliches Regulierungsniveau geschaffen wird und mit einer abgestimmten Marktbefragung vergleichbare Daten verfügbar sind.
Und im Bereich der Fahrgastrechte haben wir es durch verschiedene Kommunikationsmaßnahmen geschafft, uns als Schlichtungsstelle bekannter zu machen – es wenden sich jedes Jahr mehr Fahrgäste an uns. Für das neue Fahrgastrechtegesetz, das im Juli 2013 in Kraft treten soll, waren wir Impulsgeber und haben wichtige Verbesserungsvorschläge eingebracht.
Der Bahn-Wettbewerb zwischen Wien und Salzburg hat ja viel Staub aufgewirbelt. Was können Sie unseren Lesern darüber erzählen?
Im Vorfeld des Markteintritts des neuen Anbieters galt unser Hauptaugenmerk als Regulator der diskriminierungsfreien Trassenzuweisung. Gerade im Personenverkehr geht es oft um Minuten und da kann es natürlich leicht zu Konflikten kommen. Es ist der Schienen-Control gelungen, tragfähige Kompromisse zwischen allen Beteiligten zu erzielen. Durch die Liberalisierung wird das System Bahn gegenüber anderen Verkehrsträgern gestärkt und das entspricht der Zielsetzung der Regulierungsbehörde.
Sie haben eingangs die Rolle als Schlichtungsstelle für Bahnkunden im Personenverkehr erwähnt. Welche Entwicklungen hat es da im letzten Jahr gegeben?
Die Arbeit der Schlichtungsstelle ist durch ihre Rolle bei der Durchsetzung der Fahrgastrechte in der Öffentlichkeit sichtbarer geworden. Viel mehr Menschen wissen mittlerweile Bescheid über den Entschädigungsanspruch bei Zugsverspätungen, den es seit fast drei Jahren in Österreich gibt. Das schlägt sich auch in einer wachsenden Zahl an Beschwerden nieder. 2012 haben sich rund 1000 Fahrgäste an uns gewendet. In durchschnittlich acht von zehn Fällen gelingt es uns, erfolgreich zwischen den Bahnfahrern und den Bahnunternehmen zu vermitteln. Die meisten Beschwerden gibt es nach wie vor zu Strafzahlungen, zum Beispiel wenn ein Fahrgast ein falsches Ticket gekauft oder eine Monatskarte vergessen hat. Wir treten aber nicht nur im Rahmen von akuten Fällen für Bahnkunden ein, sondern sind als Konsumentenschützer auch ganz wesentlich in der Vorsorge tätig. Wir haben für Reisende beispielsweise Verbesserungen bei den Entschädigungsbedingungen und bei der Information über ihre Rechte durchgesetzt.
Kommen wir zum Schienenverkehr im Allgemeinen. Wie entwickelt sich der Markt?
Der Schienengüterverkehr ist seit 1998 liberalisiert, seit 2001 fahren Züge neuer Eisenbahnunternehmen im ÖBB-Netz. Die neuen Marktteilnehmer haben seither im Güterverkehr Marktanteile von 20,6 Prozent des Aufkommens bzw. 14,4 Prozent der Verkehrsleistung erreicht. Im Personenverkehr sind einige kleinere Bahnunternehmen schon seit vielen Jahren überwiegend auf eigener Infrastruktur tätig und beförderten 2011 13,6 Prozent der Bahnreisenden. Der Markteintritt der WESTbahn Management GmbH wird diesen Anteil sicherlich noch steigern. Unser Jahresbericht erscheint im Juni und wird die Marktentwicklung im Jahr 2012 abbilden.
Die Liberalisierung des Schienenverkehrs ist nicht auf Österreich beschränkt, sondern eine europäische Agenda. Wie ist die Zusammenarbeit mit Ihren ausländischen Kollegen?
Ja, das ist richtig: Die Liberalisierung des Schienenverkehrs mit all ihren Chancen, aber auch Herausforderungen ist ein europaweites Thema. 2011 wurde daher die Plattform der unabhängigen Regulierungsbehörden Europas, die Independent Regulators‘ Group-Rail, kurz: IRG-Rail, ins Leben gerufen. Wir sind eines der Gründungsmitglieder. Hauptziele der IRG-Rail sind der Erfahrungsaustausch und die Verbesserung der Zusammenarbeit in internationalen Regulierungsfragen. Darüber hinaus sind wir in intensiven Gesprächen mit unseren Kollegen aus den Nachbarländern sowie der Europäischen Kommission. Es geht um die Kooperation entlang der Güterverkehrskorridore, die ab 2013 eingerichtet werden, um eine reibungslose Arbeit der Regulierungsbehörden zu gewährleisten und zum Erfolg der Korridore beizutragen.
Welche Hauptprobleme gibt es im Eisenbahnmarkt auf -internationaler Ebene?
Ich möchte die Herausforderungen mit einem Vergleich zwischen Straße und Schiene veranschaulichen. Auf der Straße kann ein PKW oder LKW in Österreich genauso fahren wie beispielsweise in Italien. Im Bahnsektor gibt es in den verschiedenen Ländern Unterschiede bei den Stromsystemen, Sicherungssystemen und Zulassungen. Diese unterschiedlichen technischen Anforderungen müssen vereinheitlicht werden. Hier gibt es durch neue Technologien und die gegenseitige Anerkennung von Genehmigungen zwar deutliche Fortschritte, dennoch bleibt noch immer viel zu tun.
Welcher Schwerpunkt wird Ihre Arbeit im laufenden Jahr bestimmen?
Ein Schwerpunkt wird sicher ab Mitte des Jahres mit dem neuen Fahrgastrechtegesetz auf uns zukommen. Die Schlichtungsstelle kann dann für einen größeren Kreis an Fahrgästen Schlichtungsverfahren durchführen. Bei Entschädigungen für Verspätungen ist sogar eine verbindliche Entscheidung durch die Regulierungsbehörde möglich. Außerdem können wir die Beförderungsbedingungen der Bahnen sowie Verbünde gesamt auf ihre Gesetzmäßigkeit überprüfen, und es stehen, falls notwendig, effektive Durchsetzungsmöglichkeiten zur Verfügung.
In der Regulierungsarbeit wollen wir uns weiterhin verstärkt mit dem Thema Schienenmaut befassen.
Frau Röhsler, wir danken für das Gespräch.
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