Interviews

Konrad Bergmeister

"Der Brenner Basistunnel: Ein europäisches Projekt"

 

2026 soll der Brenner Basistunnel fertig sein. Mit 64 km Länge wird er die längste Eisenbahnverbindung der Welt sein. ETR sprach mit BBT SE-Vorstand Konrad Bergmeister über die Herausforderungen des Berges, des Geldes, der Sprachen und der Politik bei diesem Megaprojekt. 

1. Sie haben die Brennerautobahn A22 neun Jahre lang als technischer Direktor und Chefingenieur betreut. Wie ist der Wechsel von Autobahn zum Eisenbahntunnel für Sie?

Bei Brennerautobahn und Brenner Basistunnel handelt es sich um zwei verschiedene Mobilitätssysteme im gleichen Korridor. Der Brennerkorridor ist in Bezug auf die Transporte der größte Alpenübergang. Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein hat die Bevölkerung Transport und Verkehr als Chance für wirtschaftliches Wachstum begriffen und regelrecht darum gekämpft, dass die Brenner­eisenbahn und später die Brennerautobahn in der Nähe vorbei führten.
1974 wurde die Brennerautobahn eröffnet und als Wirtschaftsfaktor bejubelt – heute wird sie vielfach negativ wahrgenommen. Im Jahr der Eröffnung wurden 2 Mio. t Güter über die Brennerautobahn transportiert, heute sind es 45 Mio. t. Lärm und Schadstoffe in der Luft belasten die Anrainer. Als ich bei der Brennerautobahn arbeitete, waren dies meine Themen: Ich habe Schallschutzwände gebaut und einen Lärm mindernden Asphalt mitentwickelt. In dieser Hinsicht hat sich viel gebessert. Das Pro­blem der Schadstoffe jedoch bleibt: Wir ­hatten uns zwar viele Lösungen überlegt, wasserstoffbetriebene Fahrzeuge beispielsweise oder elektrobetriebene Fahrzeuge, die entlang der Autobahn gezogen werden, doch das Schadstoffproblem war vorerst nicht zu lösen. Der Brenner Basistunnel kann Abhilfe schaffen.

2. Deshalb wird der Brenner Basistunnel von der Brennerautobahn mit finanziert?

Nachdem 1987 eine Machbarkeitsstudie für die schon seit 1847 existierende Idee eines Brenner-Eisenbahntunnels mit positivem Ergebnis durchgeführt wurde, verabschiedete Italien auf Initiative der Brennerautobahn (BA) ein Gesetz, das bestimmt, dass die Gewinne der Brennerautobahn nicht an die Eigentümer fließen, sondern zur Finanzierung des Brenner Basistunnels verwendet werden sollen. Bis April 2014 sind so rund 550 Mio. EUR angesammelt worden, die für Investitionen in den Eisenbahntunnel zur Verfügung stehen.

3. Kürzlich wurde berichtet, dass diese 550 Mio. EUR in den italienischen Staatshaushalt eingeflossen seien.

In Italien funktioniert die Finanzierung anders als in Österreich. In Italien werden prioritäre Infrastrukturprojekte durch einen gesonderten Beschluss einer Gruppe von Ministern (CIPE) gefördert. Dieser fördert jeweils genau definierte konstruktive Baulose, d.h. es wird jeweils konkret das Baulos bestimmt, das finanziert wird. Die 550 Mio. EUR sind derzeit noch im Eigentum der Brennerautobahn. Für diese Gelder wurden keine Steuern gezahlt, sie wurden also bei der BA als Nettogewinne deponiert. Augenblicklich wird darüber diskutiert, ob diese Gelder direkt an die BBT SE ausgezahlt werden können oder für diese Summe noch Steuern gezahlt werden müssen.
Aktuell verhandelt die Brennerautobahn, deren Konzession ausgelaufen ist, mit dem Staat Italien. Ihr Angebot ist, dieses Geld freizugeben, weitere 550 Mio. EUR für die Verlängerung der Konzession zu zahlen und zusätzlich jährlich eine bestimmte Summe zur Querfinanzierung des Brenner Basistunnel bereitzustellen. Nach Auffassung der EU-Kommission muss die Konzession jedoch europaweit ausgeschrieben werden. Es gab bereits eine Ausschreibung, die jedoch wegen Rekursen annulliert wurde. Das ist die aktuelle Situation.

4. Das heißt, die Finanzierung des Brenner Basistunnels hängt zum Teil davon ab, ob die Brennerautobahn ihre Konzession wieder bekommt?

Augenblicklich laufen Gespräche mit Brüssel, ob eine Konzessionsverlängerung möglich ist und auch die zukünftigen Gewinne der Brennerautobahn in die Finanzierung des anderen Verkehrswegs, der Schiene, fließen.

5. Vorher sagten Sie, dass schon gesetzlich festgelegt ist, dass die Gewinne in die Finanzierung des Brenner Basistunnels fließen müssen.

Es gibt das Finanzgesetz vom 27. Dezember 1997, das festlegt, dass die Gelder für die Eisenbahn, mit einem spezifischen Hinweis auf den Brenner Basistunnel, verwendet werden müssen. Doch wie sie ausgeschüttet werden, wurde damals im Gesetz nicht festgelegt.

6. Im Zuge des Dekrets „Sblocca Cantiere“, das Gelder für Eisenbahnprojekte in Italien freigibt, taucht der Brenner Basistunnel nicht auf.

Das stimmt nicht ganz. Im Dekret, welches am 12. September 2014 veröffentlicht wurde, sind für den Brenner Basistunnel 270 Mio. EUR vorgesehen. Die weitere Finanzierung des nächsten konstruktiven Bauloses erfolgt mit  dem sogenannten Stabilitätsgesetz. Dieses Gesetz muss bis Jahresende 2014 verabschiedet werden. Für den Brenner Basistunnel hat man in diesem Dekret für diesen genau definierten Fall 270 Mio. EUR vorgesehen. Die weitere Finanzierung fällt nicht in das Dekret „Sblocca Cantiere“. Es gibt ein Commitment Italiens, dass die weitere Finanzierung im sogenannten Stabilitätsgesetz festgelegt wird. Ein entsprechender Gesetzesvorschlag existiert, er muss jedoch noch durch die Gremien verabschiedet werden. Voraussichtlich geschieht dies noch 2014.

7. Wie wird der Brenner Basistunnel insgesamt finanziert?

Die Kosten werden je zur Hälfte von Österreich und Italien getragen. Dazu kommt die europäische Mitfinanzierung, die beim Brenner Basistunnel, als grenzüberschreitendes Projekt, bis zu 40?% beträgt. In Europa gibt es 6-jährige Finanzierungsprogramme und in Österreich werden die Eisenbahnprojekte mit einem 6-jährigen Rahmenplan finanziert und abgesichert. In Italien erfolgt die Finanzierung scheibchenweise für einzelne konstruktive Baulose.

8. BBT SE ist eine österreichisch-italienische Gesellschaft mit zwischen Innsbruck und Bozen wechselndem Firmensitz. Augenblicklich ist der Firmensitz in Italien, so dass die Ausschreibungen nach italienischem Recht erfolgen. Wie funktioniert das?

Die BBT SE steht beispielhaft für den europäischen Prozess des Zusammenwachsens und die Kompromisse, die dieser Prozess erfordert. BBT ist eine SE, eine Societas Europea, eine Gesellschaft nach europäischem Recht. Wir haben zwei gleichberechtigte Vorstände, die von ihrem jeweiligen Staat nominiert werden. Die beiden beteiligten Staaten zahlen jeweils 50?% der Kosten, obwohl rund 60?% der Strecke in Österreich liegt. Außerdem ist der Firmensitz in der Planungsphase in Innsbruck, in der Ausschreibungsphase in Bozen und nach der Inbetriebnahme wieder in Innsbruck. Diese Regelung war sicherlich gut gemeint, aber in der Umsetzung bringt sie einige Probleme mit sich.

9. Welche?

Das nationale Vergaberecht in Österreich wie in Italien bezieht sich zwar auf die gleiche EU-Richtlinie Nr. 17 und Nr. 18 von 2004, doch gibt es in der Praxis wesentliche  Unterschiede, mit denen jedes Land die eigene Wirtschaft indirekt zu schützen sucht. So gibt es in Italien für Bauarbeiten die Vorschrift, dass Unternehmen, die bestimmte Tätigkeiten aus­führen wollen, in sogenannte SOA-Kategorien eingeschrieben sein müssen, um nachzuweisen, dass sie in der Vergangenheit diese Arbeiten erfolgreich ausgeführt haben. Eine solche Festlegung gibt es in anderen europäischen Ländern nicht.. Ein großes Problem ist auch, dass während der Ausschreibung die italienische Sprache rechtswirksam ist und während der Ausführungsphase in Österreich die deutsche Sprache. Entsprechendes gilt auch für die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte. Schwer wiegt außerdem, dass das italienische Recht bei der Ausschreibung von Ingenieursdienstleistungen ein Hearing mit Bewerbern verbietet, während ein solches Hearing in Österreich wesentlicher Bestandteil des Ausschreibungsprozesses ist, um festzustellen, ob Bewerber tatsächlich das notwendige Fachwissen besitzen und es nicht nur formal nachweisen können. In Italien darf man in einem Vergabeprozess die Fachleute, die eingesetzt werden, nicht namentlich nennen, in Österreich wird das verlangt, um zu wissen, mit wem man es zu tun hat. Ein weiterer wesentlicher Unterschied betrifft den Tunnelbau: In Italien macht man die detaillierte Ausführungsplanung vor der Ausschreibung – entdeckt man während des Tunnelbaus, dass die Planungen so nicht ausgeführt werden können, gibt es die entsprechenden Änderungen. In Österreich gibt es die Ausschreibungsplanung, die Ausführungsplanung wird jedoch erst während des Vortriebs, in täglicher Absprache mit den Fachleuten, erstellt.
Diese unterschiedlichen Ausschreibungs-, Planungs- und Bauphilosophien wachsen bei der BBT SE in einem manchmal schmerzhaften Prozess zusammen.

10. Drohen Probleme, die aufgrund der unterschiedlichen nationalen Rechtssysteme auftreten, die Bauzeit zu verlängern oder die Kosten zu erhöhen?

In der Zukunft wird es leichter werden: Die EU-Richtlinie 24/2014 sieht vor, dass man ab 18. April 2016 entscheiden kann, ob das Vergaberecht am Ort der Ausführung oder am Firmensitz gilt. Damit wäre es zukünftig möglich, Vergaben für Tätigkeiten in Österreich nach österreichischem Recht in Innsbruck auszuschreiben.

11. Bei BBT SE arbeiten 70 österreichische Mitarbeiter und 50 italienische. Gibt es allein aufgrund der Sprache Missverständnisse?

Die gibt es immer wieder, obwohl wir unsere Mitarbeiter in beiden Sprachen schulen und beispielsweise in großen Datenbanken alle Fachwörter und ihre jeweiligen Übersetzungen in die andere Sprache gesammelt haben. Das Problem liegt darin, dass manche Fachwörter wie die schon erwähnte Ausführungsplanung in Italien anders verstanden wird als in Österreich. Das Wort kann somit richtig übersetzt sein, aber dennoch falsch verstanden werden. Bei diesem Projekt lernt man, was das Wesentliche ist: Das Ziel immer vor Augen zu haben und die notwendige Toleranz aufzubringen, um das Projekt gut voranzutreiben. Die Tatsache, dass man aufgrund unterschiedlicher Herangehensweisen Nichts als von Anfang an gegeben ansehen kann, hat jedoch auch Vorteile. Man entwickelt eine holistischere Sicht auf die Dinge und kann die Chance nutzen, Themen bewusst zu gestalten.

12. Einige Teile des Gebirges gelten als schwierig.

Im Norden sind dies die Innsbrucker Quarzphyllite. Hier haben wir die Erkundung beendet und festgestellt, dass weniger Wasser vorhanden ist als befürchtet. Im Süden befindet sich die Periadriatische Störungszone, wo sich die euro-asiatische Platte und die afrikanische Platte begegnen. Auch diese Zone haben wir schon mit dem Erkundungsstollen durchfahren und ebenfalls festgestellt, dass auf Tunnelniveau weniger Wasser vorhanden ist als befürchtet. Außerdem hat sich herausgestellt, dass das Gebirge in diesem Bereich nicht drückend ist. Wir können deshalb die beiden Haupttunnel hier planen. Über den Bereich nördlich und südlich des Brenners, wo der Bündner Schiefer den Brenner Gneis überlappt und die Hochstegen-Marmore liegen, wissen wir noch weniger. Hier planen wir weitere Vertikalbohrungen.

13. Von zwei der drei schwierigen Zonen wissen Sie also heute, dass der Tunnelbau machbar ist, unter besonderen Vorkehrungen. Macht dies den Brenner Basistunnel teurer als geplant?

Wir hatten für die Periadriatische Störungszone eine größere Risikovorsorge in unserer Kostenrechung vorgesehen und können heute feststellen, dass diese Risikovorsorge geldmäßig  nicht verbraucht werden wird, weil die Durchörterung einfacher ist als ursprünglich angenommen.

14. Die Kosten für den Brenner Basistunnel sollen 10 Mrd. EUR betragen. Stimmt diese Zahl noch?

Als ich zum BBT kam, war es mir ein großes Anliegen, dass dieses Megaprojekt jährlich in Bezug auf Kosten, Risiken und Bauzeiten aktualisiert wird und dass die Kostenangaben auf realen Grundlagen basieren, dass also keine politischen Zahlen dominieren. Deshalb habe ich 2006 die damals publizierten Baukosten von 4,5 Mrd. EUR auf 6 bis 6,5 Mrd. EUR korrigiert und auch die Bauzeit entsprechend um 10 Jahre erhöht. Fakt ist, dass wir die damals sehr detailliert berechneten Basiskosten bis dato beibehalten haben. Hinzu kommen die Risikovorsorge und jährlich die Valorisierung, d.h. die Berücksichtigung der Inflation in beiden Staaten, sowie Kosten für die Inbetriebnahme. In Bezug auf den 1. Januar 2014 betragen die Kosten 8,5 Mrd. EUR. Wenn man diese Kosten bis 2026 mit 2,5?%/Jahr im Voraus valorisiert, betragen die Kosten etwa 10 Mrd. EUR.

15. Wie schaffen Sie es, Kosten und Bauzeit einzuhalten?

2006 haben wir ein realistisches Bauprogramm erstellt. Ein wichtiges Instrument war dabei die sehr detaillierte Risikoanalyse, die wir – erstmalig bei einem solchen Großprojekte bereits während der Planungsphase  – erstellt haben. Sie wird jährlich unter Einbeziehung externer Experten aktualisiert. In dieser Risikoanalyse identifizieren und quantifizieren wir kontinuierlich Chancen und Risiken und entwickeln geeignete Maßnahmen für das Monitoring von Risikofaktoren, so dass bestimmte Ereignisse nicht eintreten oder mit geringeren Auswirkungen. In Bezug auf die Bauzeit haben wir anhand der Erfahrungen bei anderen großen Tunnelbauprojekten in Europa und in der Welt ebenfalls sehr realistische Annahmen gemacht. Allerdings kann auch der beste Bauplan nur dann termingerecht durchgeführt werden, wenn die notwendigen UVP-Genehmigungen vorhanden, die Finanzierungen rechtzeitig zur Verfügung stehen und wenn es nicht zu Verzögerungen bei den Ausschreibungen kommt. Die Verlagerung des Firmensitzes von Österreich nach Italien beispielsweise hat bei zwei großen Baulosen zu einer Verzögerung von einem Jahr geführt.

16. Wie greift Ihr Risikomanagement in den Alltag bei Planung und Bau ein?

Ich bezeichne unser Vorgehen ganz bewusst als Chancen- und Risiken-Management und sehe es als holistisches Programm. In der technischen Literatur wird nur von Risikomanagement gesprochen, Chancen werden als positives Risiko verstanden. Ich halte es jedoch für wichtig, explizit von Chancen zu sprechen, denn dieses Denken motiviert die Verantwortlichen, Chancen bewusst zu suchen. Mit diesem Herangehen wurde beispielsweise eine Verwendung für den Bündner Schiefer gefunden, der bis dahin immer als nicht wieder verwertbares Ausbruchmaterial eingestuft worden war. Seit 6 Wochen bearbeiten wir in einem von uns entwickelten Aufbereitungszyklus nun diesen Schiefer und setzen ihn dem Beton zu.

17. Sind alle Risiken quantifizierbar?

Wir unterscheiden in unserem Programm 1.) identifizierbare und quantifizierbare Risiken, 2.) erwartbare, aber nicht quantifizierbare Risiken und 3.) unbekannte, extreme Risiken.
Für die quantifizierbaren Risiken haben wir ein strukturiertes, EDV-unterstütztes Chancen- und Risiken-Programm entwickelt. Auf unserem BBT SE-Portal sind alle identifizierten und quantifizierten Risiken gelistet. Wir gehen einmal jährlich strukturiert, Baulos für Baulos, mit den Projektverantwortlichen, den Geologen, Hydrogeologen und Geotechnikern sowie den weiteren Fachleuten, die für die Planung und  Bauausführung verantwortlich sind, durch. Es werden die möglichen Risiken besprochen, die Eintrittswahrscheinlichkeiten geschätzt und mögliche Auswirkungen beschrieben und monetär bewertet. Nach diesem Erst-Prozess, der intern analysiert und rein auf Erfahrung aufgebaut ist, gibt es dann eine externe Expertengruppe, die sich aus Projektverantwortlichen anderer Tunnelbauten zusammensetzt. Mit diesen diskutieren und bewerten wir final die getroffenen Annahmen und Maßnahmen.
Dies ist kein einfacher Prozess, denn er verlangt viel Kommunikation und auch Motivation von den Mitarbeitern auf der Baustelle. Für den Einzelnen ist es oft viel einfacher, ein Problem auf sich zukommen zu lassen und dann zu reagieren, als proaktiv darauf zuzugehen.

18. Wie können Sie nicht quantifizierbare Risiken dennoch in der Kostenplanung berücksichtigen?

Österreich und Italien haben die erste Risikokategorie anerkannt. Die identifizierten und quantifizierten Risiken finden sich in den Gesamtkosten des BBT SE wieder und werden finanziell von beiden Ländern gedeckt. Die erwartbaren, aber heute nicht quantifizierbaren Risiken allerdings deckt nur Österreich ab. Die Österreichische Gesellschaft für Geomechanik hat 2005 mit der erarbeiteten Kostenrichtlinie Pionierarbeit geleistet, mit welcher je nach Komplexität des Bauvorhabens die Risikovorsorge mit einem bestimmten Prozentsatz der Baukosten berechnet werden kann. So gibt es einen definierten, pauschalen Prozentsatz für Infrastrukturprojekte mit Tunnelanteil.
Für die Einschätzung der unerwarteten, extremen Risiken habe ich eine wissenschaftliche Arbeit durchgeführt, die phänomenologisch  vorgeht. Durch Monitoring und das Vorhalten von präventiven Maßnahmen sollen solche extremen Risiken reduziert werden können.. Gegen Finanzkrisen eines Staates sind wir allerdings nicht gewappnet.

19. Ein Risiko ist auch die Reaktion der Bevölkerung.

Großprojekte, die eine öffentliche Institution durchführt, werden von der Bevölkerung als fremde Projekte betrachtet. Das Fremde ruft Widerstand hervor. Der wichtigste Punkt bei Großprojekten ist, dass man die Stimme der Bevölkerung wahrnimmt. 2007 habe ich rund 150 Vorträge gehalten und mit der Bevölkerung Änderungen diskutiert, von denen viele auch umgesetzt wurden. Man muss unterscheiden lernen zwischen inhaltlich berechtigten Einwänden und Sorgen, auf die man mit Änderungen reagieren sollte, und rein politisch motiviertem Widerstand. Ganz wichtig ist auch, dass man immer die Wahrheit sagt und auch zugibt, wenn man einmal etwas nicht weiß. Und wenn es tatsächlich zu einem Schaden kommt, müssen wir als BBT SE dafür gerade stehen, rund um die Uhr erreichbar sein und möglichst schnell den Schaden beheben.

20. Der Erfolg des Brenner Basistunnels hängt auch von den Zulaufstrecken in Deutschland und Italien ab. Was wünschen Sie sich?

Deutschland hat mit dem Hochleistungs-Ausbau der Strecke Berlin-Nürnberg schon einen riesigen Schritt getan. Auch die Scan-Med-Strecke von Bremen über Hannover nach Nürnberg ist als Güterverkehrskorridor ausgebaut. Jetzt steht die Weiterführung von München Richtung Süden an. Mein Wunsch ist, dass die Zulaufstrecken in Deutschland und Italien rechtzeitig gebaut, damit eine Mindestkapazität von 400 Zügen/Tag entlang des Korridors gewährleistet werden kann. Dazu sollten entweder Regionalverkehr und Güterverkehr getrennt werden, oder, will man beim kombinierten Betrieb bleiben, ein Gleis dazu gebaut werden. Auch wünsche ich mir, dass schon jetzt die notwendigen KV-Terminals mitentwickelt werden, denn sie sind wichtiger Bestandteil der Güterverkehrsverlagerung.

21. Wie entspannen Sie sich?

Am wohlsten fühle ich mich zuhause bei meiner Frau Barbara und den fünf Kindern. Ich bin auf einem Bergbauernhof aufgewachsen und liebe die Natur. Im Winter gehe ich Skifahren, im Sommer auf den Berg.


Das Gespräch führte Dagmar Rees

Artikel von Interview aus der ETR, Ausgabe 10/14
Artikel von Interview aus der ETR, Ausgabe 10/14