Jürgen Tuscher
„Laute Wagen von 2020 an kräftig belasten“
VPI-Geschäftsführer Jürgen Tuscher zu Möglichkeiten, die Umrüstung der Güterwagenflotte auf lärmmindernde Bremstechnologie zu beschleunigen
Herr Tuscher, hat sich das lärmabhängige Trassenpreissystem bewährt?
Nein, aus unserer Sicht nicht. Weder setzt es einen spürbaren finanziellen Anreiz zur Umrüstung, noch kommen die Einnahmen denen, zugute, die die Investitionskosten für die Umstellung der Waggons auf leise Technik schultern. Daher müsste das deutsche System anders angelegt sein.
Wie sollte das System denn aussehen?
Die derzeitige Trassenpreisspreizung zwischen lauten und leisen Zügen ist zu gering. Trassenpreise gehen mit etwa 30 % in die Produktionskosten ein. Ein Trassenpreisunterschied von derzeit 2,5 % zwischen leisen und lauten Wagen macht sich in den Produktionskosten also nur mit 0,8 % bemerkbar. Ein derart geringer Betrag veranlasst keinen Verlader oder Wagenhalter, einen leisen Waggon einzusetzen oder umzurüsten. Bei einer Spreizung des Trassenpreises von 30 % müssten die Nutzer lauter Waggons eine Transportkostensteigerung von 10 % hinnehmen. Erst in dieser Größenordnung setzen wir einen Marktmechanismus in Gang, der die Umrüstung auf ausländische Wagenhalter ausweitet. Wichtig ist hier allerdings, dass es für eine solche Maßnahme einen angemessenen Vorlauf gibt, sie also nicht vor Ende 2020 umgesetzt wird. Auch die ausländischen Halter brauchen Zeit für die Umrüstung.
Wären die Probleme mit einer stärkeren Spreizung der Trassenpreise gelöst?
Nein. Viele Güterwagenhalter sind nicht gleichzeitig auch Eisenbahnverkehrsunternehmen. Damit kommen sie nicht in den Genuss beider Tranchen der Umrüstungsförderung.
Welche Tranche können die Wagenhalter nicht nutzen?
Das Förderkonzept der Bundesregierung sieht zwei Töpfe vor. 50 % der Mittel gewährt das Bundesverkehrsministerium direkt aus Mitteln des Bundeshaushalts für den Lärmschutz an der Schiene. Diese Mittel kommen bei den Wagenhaltern an. Die anderen 50 % bringen die Eisenbahnverkehrsunternehmen auf, die für laute Züge einen Trassenpreiszuschlag entrichten. Die Einnahmen aus diesem Zuschlag sind für die Weiterleitung an die Güterwagenhalter gedacht, die in die Umrüstung investiert haben. Diese Mittel kommen aber nicht bei Wagenhaltern an, die nicht gleichzeitig auch Eisenbahnunternehmen sind. Die Eisenbahnen behalten die Vergütung ein.
Was schlägt der Verband vor, um diese Situation zu ändern?
Die Eisenbahnen müssten verpflichtet werden, den Trassenpreisbonus für leise Züge anteilig an diejenigen Wagenhalter auszuschütten, die Waggons umgerüstet haben.
Der Verband hatte sich Mitte vergangenen Jahres dafür ausgesprochen, eine Abwrackprämie für alte Waggons zu zahlen. Ist diese Forderung noch aktuell?
Bisher wird nur die Umrüstung gefördert. Die VPI-Mitgliedsfirmen rüsten von den 60 000 Wagen, die 2020 verkehren sollen, 20 000 um. 40 000 Wagen werden neu beschafft. Das bedeutet, pro Jahr kommen durchschnittlich 3500 Wagen neu in den Verkehr. Bei 40 000 Wagen ergibt dies eine Investitionssumme von rund 4 Mrd. EUR. Natürlich werden diese Investitionen auch getätigt, um die Attraktivität der Flotte zu erhalten. Aber Investitionen sind auch eine Frage des Zeitpunkts, und es ist klar, dass sie aus Gründen des Lärmschutzes vorgezogen werden. Insofern würde es der Verband begrüßen, wenn der Ersatz eines alten Wagens durch einen neuen Wagen durch eine Innovationsprämie unterstützt würde. Es erscheint mir weder sinnvoll noch wettbewerbsneutral, nur die Umrüstung zu fördern, nicht aber die Beschaffung neuer Wagen.