Hans-Joachim Menn
"Der Fahrzeugpool ist ein sehr wirtschaftliches Modell"
Warum und für wen die These von Hans-Joachim Menn Sinn macht wurde im Juni 2011 bei ETR nachgefragt.
1. Sie bauen seit 13 Jahren einen eigenen Fahrzeugpool für den SPNV auf. Warum?
Unser Hauptziel war, neue Fahrzeuge bereitzustellen, weil das den SPNV attraktiver macht. Dieses Ziel haben wir erreicht. Heute haben wir einen Modernisierungsgrad von über 90 %, das heißt, die meisten der über 300 Fahrzeuge wurden im Jahr 2000 oder später in Betrieb genommen. Gleichzeitig ist der Fahrzeugpool für uns ein sehr wirtschaftliches Modell. Wir finanzieren die Fahrzeuge direkt mit Regionalisierungsmitteln, dadurch fallen keine Kapitalzinsen an. Außerdem erreichen wir günstigere Fahrzeugpreise durch größere Stückzahlen. Auch stellen wir fest, dass sich mehr Bieter an den Ausschreibungen beteiligen, wenn wir die Fahrzeuge bereit stellen. Heute ist es ja so, dass sich die Aufgabenträger um Wettbewerb bemühen müssen, weil sich nicht jedes Eisenbahnunternehmen an jeder Ausschreibung beteiligt.
2. Wie verteilen sich jetzt nach über einem Jahrzehnt der Ausschreibungen mit Fahrzeugpool die Verkehre auf Deutsche Bahn und ihre Konkurrenten? Bundesweit liegt der Anteil der nicht-bundeseigenen Bahnen bei 12 %.
In Niedersachsen liegt er bei 54 %. Wir haben eine bunte Betreiber-Landschaft. 10 Eisenbahnunternehmen fahren den SPNV in Niedersachsen – auch grenzüberschreitend. Der Anteil der Deutschen Bahn liegt bei rund 46 %, danach kommen die Nordwestbahn mit rund 20 % und Metronom knapp darunter. Durch den Fahrzeugpool konnten wir den Wettbewerb beschleunigen, da wir parallel zur Ausschreibung der Strecken schon die Fahrzeuge ausschreiben. Ganz aktuell greift das Modell beim Regionalbahnkonzept 2014 des Zweckverbandes Großraum Braunschweig, wo kurzfristig Kapazitäten aufgebaut werden müssen.
3. Wieviel haben Sie in den Fahrzeugpool investiert und welche Laufzeiten sollen bei Ihnen die Fahrzeuge haben, damit sie ihrem Anspruch an Modernität und Komfort entsprechen?
Bis Ende 2011 werden in den Fahrzeugpool rund 700 Millionen EUR geflossen sein. Wichtig sind für uns Spurtstärke und Komfort, Rußpartikelfilter und zunehmend auch Fahrgastinformationen in Echtzeit. Neben der Videoüberwachung geben wir inzwischen mehr Geld für Zugbegleiter aus, um Sicherheit und Service zu steigern. Über die Erneuerung der Flotte machen wir uns bei jeder neuen Ausschreibung Gedanken und wägen ab, ob die Fahrzeuge aufbereitet werden können oder neue angeschafft werden müssen. Allerdings erweisen sich die Zulassungszeiten zunehmend als Problem.
4. Verkehrsminister Ramsauer hat die Zulassungsregeln doch jüngst reformiert?
Die Zulassungsverfahren haben sich durch die Anwendung neuer europäischer Normen und Standards erheblich verlängert. Bislang reichten drei Jahre, inzwischen rechnen wir mit fast vier Jahren bei der Zulassung eines Neufahrzeugs. Auch die 44 Monate, die Minister Ramsauer als Obergrenze vorgestellt hat, sind davon nicht weit entfernt. Das ist eindeutig zu lang! Im Nahverkehr ist es wichtig, dass die Unternehmen zeitnah an neue Fahrzeuge kommen und nicht, dass die Züge von Lappland bis Sizilien fahren können. Lange Bestellzeiten vergrößern den zeitlichen Abstand zwischen Ausschreibung und Verkehrsbeginn. Dadurch wächst die Gefahr von Fehlbestellungen, da sich der Bedarf schnell ändern kann. Die erhöhten Anforderungen treiben die Beschaffungskosten um bis zu 20 % nach oben. Das gefährdet die Rentabilitätserfolge, die wir durch Wettbewerb im SPNV erreicht haben. Ich sage „Ja“ zu europäischen Normen, bin aber auch für Abstufungen. Denn im Nahverkehr brauchen wir nicht die gleichen technischen Spezifikationen wie für Hochgeschwindigkeitszüge.
5. Gibt es Grenzen für den Einsatz des Fahrzeugpools?
Ja, wir können nicht bei allen Netzen mit Fahrzeugpool ausschreiben. Speziell bei größeren Netzen mit einer erheblichen Anzahl von Fahrzeugen und damit einem hohen Investitionsvolumen stoßen wir an Grenzen. Wir haben jetzt beim Heidekreuz mit seinen ca. 2,6 Mio. Zugkilometern das Fahrzeugpool-Modell gewählt. Doch manchmal müssen wir aus wirtschaftlichen und verkehrlichen Gründen größere Netze ausschreiben. Dann wird es schwierig.
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