Interviews

Germar Wacker und Michael Fohrer

Wettbewerb über Service

Technikplattformen und lebenslange Service-Verträge sind die Rezepte, mit denen Germar Wacker und Michael Fohrer die Umsätze bei Bombardier ausbauen wollen. Lebenszykluskosten sind dabei ihr zentrales Argument.


Sie sind für Zentral- und Osteuropa zuständig. Wie sehen Sie die augenblickliche Marktsituation in Ihren Geschäftsfeldern Lokomotiven, Hochgeschwindigkeitszüge, Straßenbahnen und Regionalzüge?
Germar Wacker: Die großen weltweiten Trends wie Urbanisierung, Energieeffizienz und Umweltfreundlichkeit unterstützen weiterhin die Entwicklung des öffentlichen Verkehrs, insbesondere die Schienenfahrzeug-Mobilität. Darum gehen wir für unser Unternehmen insgesamt von einer stabilen Entwicklung aus, die allerdings regional unterschiedlich verlaufen kann. China beispielsweise investiert massiv in die Schiene, während in Europa die Marktentwicklung eher stabil verläuft.
Michael Fohrer: Wir wollen in allen Märkten stärker unser Plattformkonzept nutzen, besonders bei Lokomotiven und Straßenbahnen. Unsere Hauptumsätze erzielen wir gegenwärtig vor allem in den Kernmärkten Westeuropas. Mit unseren flexiblen Plattformlösungen rechnen wir uns große Chancen aus, global weitere Marktanteile gewinnen zu können, in China beispielsweise, aber auch auf dem amerikanischen und osteuropäischen Markt.


Osteuropa ist ein ganz besonderer Markt. Zum einen gibt es dort viele Hersteller, die auch in Westeuropa durchaus aggressiv auf den Markt drängen. Zum anderen gibt es viele Länder, in denen man das Geld praktisch mitbringen muss, um dort Geschäfte machen zu können. Wie sehen die Chancen speziell in Osteuropa aus?
Fohrer: Polen ist ein gutes Beispiel, denn dort sind wir sowohl mit Lokomotiven als auch mit Service-Verträgen gut vertreten. Der Grund: Wir bieten gemeinsam mit einem lokalen Partner kundengerechte Services über die ganze Lebenszeit der Fahrzeuge an. Es gibt sicher Anbieter, die beim Verkauf der Fahrzeuge günstiger sind. Doch über 30 Jahre gesehen sind wir mit unseren Mobilitätslösungen, das heißt mit der Kombination aus hochwertigen Fahrzeugen und Service-Leistungen sehr wettbewerbsfähig. Dabei reden wir nicht von Services von der Stange. Wir bieten beispielsweise mit FlexCare variable Service-Angebote, die sich den jeweiligen Bedarfslagen, Infrastrukturen und Geschäftsmodellen der Kunden anpassen.
Wacker: Langfristig angelegte Einkaufsstrategien über 30 Jahre hinweg lösen den kurzfristigen Fokus rein auf den Einkaufspreis ab. Neben der Verfügbarkeit der Fahrzeuge stehen planbare, optimierte Wartungs- und Betriebskosten und langfristiges Obsoleszenzmanagement im Vordergrund. Hier konnten wir in den vergangenen Jahren umfassendes Know-how aufbauen, beispielsweise im Bereich Straßenund Stadtbahnen. Die dabei entwickelten und erprobten Modelle übertragen wir jetzt auf andere Geschäftsfelder. Fahrzeugbeschaffung und Wartung werden zunehmend in Ausschreibungen kombiniert. Dies wird sich auch in Osteuropa mittelfristig durchsetzen.


Wie hoch ist der Anteil des Service-Geschäftes am Gesamtumsatz augenblicklich?
Fohrer: Bei Bombardier Transportation insgesamt liegt der Anteil bei rund 20 %. Regional sind die Zahlen natürlich sehr unterschiedlich. Wir arbeiten in Zentral- und Osteuropa stetig daran, das Service-Geschäft weiter auszubauen. Alle wichtigen Voraussetzungen sind gegeben: Know-how, Erfahrung und eine moderne internationale Service-Infrastruktur.
Wacker: Wir haben inzwischen vermehrt Kunden, die von sich aus und sehr frühzeitig an uns herantreten, um langfristige Service-Verträge mit uns abzuschließen. Dies zeigt, dass unser Geschäftsmodell für beide Seiten attraktiv ist.


Sie nannten als weltweiten Trend unter anderem die Umweltfreundlichkeit. Alternative Antriebe sind zunehmend ein Thema: elektrisch, diesel-elektrisch, ein Wettbewerber kommt mit Brennstoff-Zellen auf den Markt. Wie sieht Ihre Stoßrichtung aus?
Wacker: Energieeffizienz ist ein weites Feld – mit vielen Komponenten. Wenn wir von den Antrieben ausgehen, hat Bombardier schon früh die Entwicklung von Permanentmagnet-Motoren vorangetrieben. Diese sind sowohl bei unseren Monorail-Fahrzeugen als auch bei der schweren Schiene im Einsatz, in Frankreich und bald auch in der Schweiz. Ein anderer Bestandteil unseres Konzeptes ist der Leichtbau. Wir haben das Gewicht der Fahrzeuge insgesamt reduziert, unter anderem durch leichtere Drehgestelle.


Wenn wir bei den Antrieben bleiben – was tun Sie, um den Dieselantrieb zu ersetzen?
Wacker: Wir sind nicht in Sachen Brennstoffzellen unterwegs, sondern sammeln augenblicklich sehr viel Erfahrung in Richtung batteriebetriebene Fahrzeuge. In England haben wir bereits Regionalbahnen im Pilotbetrieb, die nicht elektrifizierte Bahnstrecken batteriebetrieben überbrücken können. Wir sind davon überzeugt, dass sich die Speicherkapazität von Batterien von Jahr zu Jahr in großen Sprüngen verbessern wird, und werden deshalb diese Richtung weiter verfolgen.


Sie haben schon vor Jahren mit Primove die induktive Aufladung vorgestellt. Verfolgen Sie dieses Konzept weiter?
Wacker: Mit Primove entwickeln wir neben dem Elektroantrieb zwei Technologien weiter: zum einen das induktive Laden, zum anderen die Energiespeicherung. Unsere induktive Ladetechnik setzen wir gerade weniger bei Schienenfahrzeugen, sondern vornehmlich bei E-Bussen und Pkw ein. Bei der Energiespeicherung geht es uns vor allem darum, sie durch höhere Energiedichte und längere Lebenszeiten der Batterien kontinuierlich zu verbessern. Wir haben bereits seit zwei Jahren im chinesischen Nanjing Straßenbahnen in Betrieb, die nahezu ausschließlich mit Batterien betrieben werden. Diese werden allerdings nicht induktiv geladen. An der Haltestelle fährt vielmehr der Pantograph hoch und lädt innerhalb von 15 Sekunden das Fahrzeug auf, während die Fahrgäste noch aus- und einsteigen.


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Artikel von Interview aus dem EI, Ausgabe 9/16
Artikel von Interview aus dem EI, Ausgabe 9/16