Gerhard Züger
Fahrzeughersteller sollten Lärmminderungs-Module gleich mit anbieten
Gerhard Züger ist Leiter Produktion und Rollmaterial der Zentralbahn. Er kämpft gegen das Kurvenkreischen. Dabei wünscht er sich mehr Unterstützung von den Fahrzeugherstellern.
1. Ihr Problem ist das Kurvenkreischen. Warum?
Die Zentralbahn verbindet bedeutende touristische Destinationen in der Schweiz und ist regional sehr stark in der Bevölkerung verankert. Wir verbinden Luzern mit Engelberg und Interlaken. Die Strecken sind kurvenreich und führen teilweise mitten durch Ortschaften hindurch. Durch einen intensiveren Verkehr und neue Fahrzeugtypen haben wir zunehmend Probleme infolge der steigenden Lärmentwicklung entlang der Strecke.
2. Wodurch verschärfen neue Fahrzeugtypen das Problem des Kurvenkreischens?
Das linke und rechte Rad bei Eisenbahnfahrzeugen sind fest verbunden. Beim Befahren von Kurven legt das kurveninnere den kleineren Weg zurück als das kurvenäussere Rad. Damit das ausgeglichen werden kann, kommt es auf dem Schienenkopf zum Gleiten eines Rades. Dieses Gleiten ist in der Praxis vielmehr ein Rucken, das sich etwa 1000mal pro Sekunde vollzieht. Dieser „Slip-Stick“ Effekt regt den Radkörper zu Schwingungen an. Bei Resonanz entsteht lauter Lärm im Frequenzbereich von 1 kHz, was als das Kurvenkreischen vom Mensch erkannt wird. Lärm im Frequenzbereich zwischen 1 kHz und 3 kHz wird jedoch als besonders laut empfunden. Das „Rumpeln“ der alten Züge wird bei gleichem Schalldruck als weniger laut empfunden. Die größeren Probleme mit den neuen Triebzügen kann nur über die geänderte Konstruktion des Fahrzeuges erklärt werden. Darum müssen Maßnahmen zur Lärmminderung immer den einzelnen Fahrzeugtypen angepasst werden.
3. Welche Lösungsansätze gibt es gegen Kurvenkreischen?
Es gibt verschiedene Ansatzpunkte das Problem anzugehen. Wichtig ist die Abstimmung der Maßnahme auf die Streckeneigenheiten und auf den Fahrzeugtyp. Die besten Ansätze sind diese, welche die Entstehung der Schwingungen verhindern. Beim Rad- und Schienen-Profil besteht Potential, wenn diese zueinander angepasst sind. Die Schwingungen am Rad können durch den Einsatz von Radschallabsorbern beeinflusst werden, welche die Radresonanzfrequenz verändern und den Radschall so reduzieren. Ein „Schmieren des Schienenkopfs“ kann das Gleiten der Räder auf dem Schienenkopf erleichtern, so dass es nicht oder nur sehr stark reduziert zur Schwingungsentwicklungen kommt.
4. Sie haben Versuche mit „Schienenkopfkonditionierung“ durchgeführt. Was sind Ihre Erfahrungen?
Das Besprühen wird manuell durch den Lokführer ausgelöst. Die aktivierte Steuerung aktiviert die Sprühpumpe in den gewünschten Länge und Intervallen. Nach anfänglichen Rückschlägen bei der Dosierung oder der mangelhaften Halterungen der Düsen sind wir heute mit dem Fortschritt zufrieden. Zurzeit läuft ein Langzeitversuch zur Prüfung der Tauglichkeit des Mittels. Die Tauglichkeit wird über eine Lärmmessanlage überwacht. Da nicht alle Fahrzeuge mit einer Schienenkopf-Konditionierungsanlage ausgerüstet werden, prüfen wir den idealen Fahrzeugumlauf, damit die Schienen regelmässig konditioniert werden.
5. Sollten die Lieferanten mehr tun?
Auf jeden Fall. Die Industrie erfüllt in Bezug auf Lärm die Normanforderungen. Diese werden an einem geraden Stück Gleis gemessen. Gerade Gleise sind in der Schweiz nicht die Regel, sondern eher die Ausnahme. Ich stelle mir vor, dass die Industrie die Fahrzeuge so vorbereitet, dass wir eine der verschiedenen Möglichkeiten, das Kurvenkreischen zu mindern, leicht umsetzen können. Die Fahrzeughersteller sollten also modular verschiedene Möglichkeiten der Lärmminderung, je nach Praxisanforderungen, gleich mit anbieten. Während der Inbetriebnahme können die verschiedenen Maßnahmen streckenspezifisch geprüft werden.
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