Interviews

Dr. Roland Leucker

„Tunnelsanierung wird zum Thema"

Der Markt für Tunnelbau ist sehr dynamisch – in Asien. In Europa dagegen wird die Sanierung von Tunneln immer wichtiger. ETR sprach mit Dr. Roland Leucker, Geschäftsführer der Studiengesellschaft für unterirdische Verkehrsanlagen (STUVA) über die technischen und wirtschaftlichen Herausforderungen.

Was sind die Zukunftsmärkte für den Tunnelbau?
In Mitteleuropa gibt es schon sehr viele Tunnel. Es werden zwar weiterhin neue Tunnel gebaut, doch ist der Bedarf in anderen Erdteilen höher. In Mitteleuropa erlangt zukünftig die Sanierung von Tunneln mehr und mehr Bedeutung. Leider werden jedoch für Tunnelsanierungen nur wenig Mittel bereitgestellt. Augenblicklich fokussiert sich die Politik auf die Sanierung maroder Brücken. Doch das Thema Tunnelsanierung steht ebenso an wie die Brückensanierung.

Es reicht also nicht, Mittel für die Brückensanierung bereitzustellen, die Tunnel müssen auch bedacht werden, sonst droht das nächste große Problem.
Jedes alternde Bauwerk benötigt ein gewisses Maß an Unterhaltung. Je älter ein Tunnel, desto anfälliger. Tunnel haben zwar den großen Vorteil, dass sie in der Regel überdrückt sind, also einem zentrischen Druck unterliegen und nicht einer großen Biegebeanspruchung – wie Brücken mit großen Spannweiten. Auch sind sie der Witterung nicht genauso intensiv ausgesetzt wie Brücken, obwohl auch Straßentunnel mit Tausalz zu kämpfen haben. Außerdem wird im Tunnelbau in der Regel kein Spannbeton verwendet. Dennoch steht über kurz oder lang bei jedem Bauwerk eine Sanierung an, auch wenn die geplante Nutzungsdauer eines Tunnels bei über 100 Jahren liegt. Denn dieses Alter haben viele Tunnel in Mitteleuropa inzwischen erreicht oder überschritten.

Welche Bedeutung haben nicht-europäische Märkte für die Tunnelbauer?
Wenn Sie einen Tunnel bauen, brauchen sie in erheblichem Maße lokale Ressourcen, Zuschlagstoffe beispielsweise, aber auch lokale Arbeitskräfte. Insofern ist es schwieriger, das Produkt „Tunnel“ von Europa nach Asien zu transportieren, als z. B. eine Maschine. Mit europäischen Arbeitslöhnen sind Tunnelbauer in Asien nicht konkurrenzfähig. Große Firmen wie Herrenknecht haben deshalb vor Ort eigene Werke aufgebaut. Dort findet der schwere Stahlbau statt, Elektronik wird jedoch weiter hier in Europa gefertigt. Und auch die Speicherprogrammierung findet hier statt.
Natürlich sind auch deutsche, österreichische und Schweizer Baufirmen im außereuropäischen Ausland tätig, allerdings i. d. R. mit lokalen Partnern. Ein Teil der Führungskräfte kommt dabei aus Europa, viele andere Arbeitskräfte werden vor Ort gewonnen.

Wie groß ist der Tunnelbaumarkt weltweit?
Die International Tunnelling and Underground Space Association (ITA) hat kürzlich eine Studie veröffentlicht. Danach beträgt der Gesamttunnelbaumarkt rund 90 Mrd. USD/Jahr (Stand 2013). Weltweit werden jährlich 4500 bis 4700 km Tunnel gebaut. Das ist beachtlich. Zum Vergleich: In Deutschland haben wir insgesamt nur rund 1500 km Tunnel, jährlich kommt also weltweit rund die dreifache Kilometerlänge an Tunneln hinzu.
Zumindest zum Zeitpunkt der Studie lag der Hauptmarkt in Asien. Zwischen 2000 und 2013 hat sich in Europa der Tunnelbau von 250 auf 500 km/Jahr verdoppelt, in Asien dagegen von ebenfalls 250 auf 3750 km/Jahr verfünfzehnfacht. 75 % der Tunnel wurden dabei in China gebaut.

Wie sieht es mit Nordamerika aus?
Das ist ein sehr kleiner Markt. Hier stiegen die Tunnelbauaktivitäten von 65 auf 75 km/Jahr, im Rest der Welt sind die Werte mit 20 bis 30 km/Jahr noch niedriger. Insofern ist Europa mit seinen 250 bis 500 km/Jahr nach Asien der zweitgrößte Markt.

Die Zahl scheint mir für Europa hoch – welche Tunnelprojekte sind das?
In Deutschland waren das in der Vergangenheit viele Eisenbahntunnel; aktuell u. a. der Bahnknoten Stuttgart 21 und die Strecke Wendlingen – Ulm, zukünftig die zweite S-Bahn-Stammstrecke in München oder der Fehmarnbelt-Tunnel. In der Alpenregion sind insbesondere der Gotthardbasistunnel in der Schweiz oder der Brennerbasistunnel zwischen Österreich und Italien herausragende Projekte. Ein Schwerpunkt der Bautätigkeit liegt auch in Skandinavien. Hier werden viele neue Tunnel gebaut, z. B. in Dänemark für die Metro in Kopenhagen oder in Norwegen für die Eisenbahnverbindung von Oslo nach Ski.

In Mitteleuropa geht es also mehr um Tunnelsanierung als um Tunnelneubau.
Der älteste Eisenbahntunnel in Deutschland wurde 1843 gebaut, die ältesten U-Bahnen in Berlin und Hamburg vor rund 100 Jahren. Einige Eisenbahntunnel im Fernverkehr sind älter als 150 Jahre; bei diesen Tunneln besteht natürlich ein großer Anpassungsbedarf, denn sie wurden für Dampfloks gebaut und nicht für moderne Fahrzeuge. Für eine Elektrifizierung sind beispielsweise größere Lichtraumprofile erforderlich.

Können Tunnel bei laufendem Betrieb saniert werden?
So weit wie möglich werden Tunnel unter laufendem Betrieb saniert, um den Verkehr nicht zu lange zu unterbrechen. Man geht dabei verschiedene Wege: Eine Möglichkeit im Eisenbahnverkehr ist beispielsweise, einen Paralleltunnel zu bauen, über den während der Sanierung der Zugverkehr eingleisig oder zweigleisig geführt wird. Nach der Sanierung werden dann beide Tunnel, der neue und der alte, als Doppelröhre befahren, also mit einem Gleis pro Richtung. Bei kürzeren Tunneln ist auch die Tunnel-im-Tunnel Methode möglich: Dabei schiebt man in einen zweigleisigen Tunnel abschnittweise einen Stahlrahmen ein, durch den der Verkehr während des Baus geführt wird. Außerhalb dieses Stahlrahmens wird dann das alte Mauerwerk abgebrochen, das Lichtraumprofil erweitert und neu betoniert. Dies ist sehr aufwändig, wurde aber schon verschiedentlich erfolgreich umgesetzt.

Das hört sich so an, als ob die Tunnelsanierung noch teurer werden wird als die Brückensanierung.
Dass die Gesamtkosten höher sind als bei der Brückensanierung, ist unwahrscheinlich, da es schließlich weit mehr Brücken gibt als Tunnel. Dennoch – für die Tunnelsanierung müssen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Schließlich sind funktionierende Tunnel die Grundlage für die weitere Entwicklung der Infrastruktur.

Wie viele Tunnel gibt es im deutschsprachigen Raum?
In Deutschland haben wir rund 680 km U-, Stadt- und S-Bahntunnel, über 550 km Fernbahntunnel und knapp 290 km Straßentunnel. In Österreich gibt es insgesamt rund 770 km Tunnel, in der Schweiz 1130 km. Diese Zahlen haben wir bei der STUVA zusammengetragen. Es gibt kein zentrales „Tunnelregister“ in Deutschland. Die Deutsche Bahn hat natürlich einen genauen Überblick über ihre Tunnel, doch schon bei den U- und Stadtbahn-Tunneln wird es schwieriger. Sie gehören den Kommunen, in zunehmendem Maße heute auch den Verkehrsbetrieben selbst, die den Tunnel betreiben. Jeder Verkehrsbetrieb weiß natürlich, über wie viele Kilometer Tunnel er verfügt, doch in der Gesamtschau müssen die Zahlen erst zusammengetragen werden. Ähnliches gilt für die Straßentunnel, bei denen die Verantwortung teils beim Bund liegt, teils bei den Ländern, teils bei den Kommunen. 

Wer erfasst den Neubau?

Als STUVA führen wir jährlich eine Umfrage über das Tunnelbauvolumen durch: Was befindet sich derzeit im Bau, was ist planfestgestellt, was ist in der Planung? Diese Statistik bezieht sich jedoch nur auf den Bau. Sobald der Tunnel fertig gestellt ist, fällt er aus unserer Statistik heraus. Im Moment überlegen wir uns, die Daten weiterzuführen, doch das ist sehr aufwändig.

Für die Tunnelbauer ist in Mitteleuropa die Sanierung ein Zukunftsmarkt. Die großen Neubauprojekte finden in Asien, hauptsächlich in China statt und werden dort in der Regel von asiatischen Firmen durchgeführt. Muss man auch auf dem angestammten europäischen Markt mit Konkurrenz aus China rechnen?
Beschränkt. Bisher war es zumindest so, dass bei Projekten in Deutschland, Österreich oder der Schweiz hauptsächlich die mitteleuropäischen Firmen zum Zuge kamen. Es gibt allerdings weltweit auch immer wieder Projekte, bei denen Firmen aus Übersee, besonders aus dem asiatischen Raum, tätig werden. Dies hängt oft von strategischen Entscheidungen eines Landes ab. Chinesische Baufirmen sind beispielsweise relativ stark in Afrika tätig. Dieses Engagement könnte auch in Zusammenhang stehen mit der Verfügbarkeit von Ressourcen wie Seltene Erden, die in den bekannten Abbaustätten schon knapp werden, in Afrika aber noch vorhanden sind. Bei solchen strategischen Bauprojekten geht es nicht nur um Tunnelbau, sondern auch um Staudämme – so wurden wir beispielsweise mit der Erarbeitung eines Konzepts für die nachträgliche Abdichtung einer Talsperre in Afrika beauftragt, die von chinesischen Firmen gebaut wurde.
In Europa dagegen treten chinesische Baufirmen noch kaum auf; allerdings wurde in 2013 der deutsche Tunnelvortriebsmaschinenhersteller Wirth von einem chinesischen Staatskonzern übernommen. In der westlichen Welt liegt Deutschland bei Tunnelvortriebsmaschinen mit dem weltgrößten Hersteller eindeutig an der Spitze, gefolgt von den USA, dann kommt jedoch schon Japan.
 
Welche technischen Innovationen werden augenblicklich im Tunnelbau diskutiert und auch umgesetzt?
Ein großes Thema ist der Umgang mit hohen Wasserdrücken. Vor kurzem konnte der Durchschlag des Eurasia-Tunnels gefeiert werden. Er verbindet mit einer Länge von 5,4 km den europäischen und den asiatischen Teil Istanbuls. Dies war ein technisch sehr anspruchsvolles Projekt, mit einer Wasserüberdeckung von über 100 m und damit einem wirkenden Wasserdruck von ca. 11 Bar. Das machte den Tunnelbau sehr schwierig.

Was macht hohe Wasserdrücke so schwierig?
Bei einer Tunnelvortriebmaschine steht zwar der ganze hintere Bereich (im Tunnelinneren) nur unter atmosphärischem Druck, doch das Schneidrad und insbesondere die Schneidwerkzeuge sind dem Wasserdruck ausgesetzt, im Falle des Eurasia-Tunnel eben die schon erwähnten 11 Bar. Dieser Druck ist an sich, für die Maschinen, nicht so problematisch, doch wenn es zu Wartungsarbeiten kommt, müssen Menschen in die Abbaukammer. Sie müssen dann bei 11 Bar Wasserdruck arbeiten – das ist nur sehr schwer möglich. Zum Vergleich: Es gibt in Deutschland eine Druckluftverordnung. Sie gilt jedoch nur bis 3,6 Bar, also 36 m Tauchtiefe, darüber hinaus sind Arbeiten eigentlich nicht mehr erlaubt. Für Arbeiten in so großer Tiefe braucht man Spezialtaucher, die bei diesem großen Druck nur kurze Zeit arbeiten können. Das große Problem ist die Dekomprimierung: Bei 11 Bar Wasserdruck bräuchten Taucher 2 Tage zum Auftauchen.

Wie hat man das Problem der Dekomprimierung der Taucher bei Wartungsarbeiten gelöst?

Man hat beim Eurasia-Tunnel die Lösung entwickelt, dass die Tauchermannschaft bis zu 2 Wochen unter Druck lebt – das kann man sich wie in der Weltraumstation ISS vorstellen, nur statt Schwerelosigkeit herrscht Überdruck. Die Arbeiter werden über Schleusen und Shuttle zur Abbaukammer gebracht, können dort 4 bis 5 Stunden arbeiten und werden dann wieder zurück in ihre Wohnumgebung gebracht, die ja unter Druck steht, so dass eine Dekomprimierung nicht erforderlich ist. Eine andere, technische Lösung beim Eurasia-Tunnel war, dass von innen begehbare Schneidarme entwickelt wurden, aus denen heraus die Schneidwerkzeuge bei atmosphärischem Druck gewechselt werden konnten – ähnlich wie seinerzeit bei der 4. Röhre des Elbtunnels. Doch an anderer Stelle mussten dann doch wieder Taucher arbeiten, z. B. am Steinbrecher. 

Hohe Drücke sind eine Herausforderung bei Tunneln unter der Wasseroberfläche – was sind die Herausforderungen an Land?
Mit Tunnelvortriebsmaschinen können heute ohne Probleme konstante – i. d. R. kreisrunde – Querschnitte vorgetrieben werden, wechselnde Querschnitte, zum Beispiel für Nothaltebuchten in Straßentunneln, sind heute jedoch noch nicht möglich. Dies bleibt nach wie vor dem Spritzbetonvortrieb, auch konventioneller Vortrieb genannt, vorbehalten. Hier kann man einen relativ flexiblen Querschnitt, auch einen Maul-Querschnitt, fahren. Man nimmt den Boden bzw. das Gestein dort weg, wo der Querschnitt es erfordert und sichert den Tunnel mit Spritzbeton und eventuell durch Anker. Beim Straßentunnel mit seiner breiten Fahrbahn hat deshalb der Spritzbetonvortrieb in Deutschland noch eine hohe Bedeutung. Beim Eisenbahntunnel hängt die Wahl eher von der Geologie als der Geometrie ab – ein (eingleisiger) Eisenbahntunnel kann annähernd kreisrund sein. Allerdings erreicht man beim konventionellen Vortrieb – je nach Geologie – nur relativ geringe Vortriebsraten von 2 bis 4 m pro Tag. Eine Tunnelvortriebsmaschine erreicht geologieabhängig die zwei- bis zehnfache Geschwindigkeit. Allerdings muss dies noch nicht bedeuten, dass die Gesamtbauzeit beim Spritzbetonvortrieb dadurch zwangsläufig länger wird. Hier kann man ohne größeren Aufwand von zwei Seiten aus arbeiten – bei Tunnelvortriebsmaschinen lohnt sich die Investition in eine zweite Vortriebsmaschine dagegen nur bei längeren Tunneln; beim Gotthardbasistunnel wurden beispielsweise sogar vier Maschinen gleichzeitig eingesetzt.

Welche Geologie ist besonders anspruchsvoll?
Eine große technische Herausforderung ist noch immer das Quellen von Mineralien wie Anhydrid. Was passieren kann, sehen wir am Beispiel der Staufener Altstadt, die Jahr um Jahr angehoben wird, weil bei einer Geothermiebohrung durch Fehler in der Ausführung eine Anhydridschicht mit Wasser in Verbindung kam und seitdem aufquillt. Anhydrid-Schichten haben auch schon Tunnel beschädigt. Beim Spritzbeton hat man dieses Problem augenblicklich noch etwas besser in der Hand. Wasserdruck und Quellschichten sind anspruchsvolle Themen, die viel Raum für Innovationen lassen und sie gleichzeitig auch erfordern.

Können grundsätzlich überall Tunnel gebaut werden oder gibt es Konstellationen, bei denen es nach heutigem Stand der Technik nicht möglich ist?
Die reine Tiefe ist bei Tunneln kein Problem. Das überdeckende Gestein leitet seine Lasten größtenteils in die seitlichen Bereiche ab – es trägt sich quasi selbst, die Betonschale dient nur zum Schutz, dass sich kein Gestein löst. Das größte Problem ist der Wasserdruck. In 500 m Tiefe unter Wasser zu arbeiten, bedeutet einen Druck von 50 Bar – dieser wirkt dann auch auf die fertige Tunnelschale. Ein Tunnel durch die Straße von Gibraltar beispielsweise würde je nach Trasse in 300 bis 900 m Tiefe geführt werden. Der Wasserdruck wäre selbst bei der flacheren Variante dreimal so hoch wie beim Bau des Eurasia-Tunnels. Deshalb wird der Gibraltar-Tunnel zwar immer wieder angedacht, aber vorerst nicht verwirklicht. Wenn natürlich die Gesteinsschicht über einem Tunnel so dicht ist, das der Wasserdruck nicht zum Tragen kommt, kann weitgehend problemlos gebaut werden, wie beispiels­weise in den Kreideformationen beim Euro­­tunnel.

Wie ist die Situation beim Fehmarnbelt-Tunnel?
Beim Fehmarnbelt-Tunnel haben wir es mit einem relativ moderaten Wasserdruck von ca. 4 Bar zu tun. Dort wird jedoch nicht die geschlossene Bauweise verwendet. Es ist geplant, an Land Tunnelelemente vorzufertigen, vereinfacht gesagt übergroße Schuhkartons aus Beton, 217 m lang und 42 m breit. Dieses über 200 m lange Element wird im Trockendock hergestellt, dann ausgeschwommen und zentimetergenau neben ein schon vorhandenes Element abgesenkt und angepresst. Die Fugen werden normalerweise mit zwei Elastomerprofilen abgedichtet – innen kommt meist ein Omega-Profil zur Anwendung. Die Herausforderung ist hier, die Elemente so zu fertigen, dass sie möglichst wenige Risse haben und auch beim Transport nicht beschädigt werden. Die Rinne am Meeresgrund muss sauber gebaggert sein, damit die Elemente am Ende passen. Das Verfahren an sich ist nicht neu, es wurde schon beim Elbtunnel angewandt, doch bisher noch nicht in diesen Dimen­sionen.

Wie sieht es dort mit dem Brandschutz aus?
Die deutschen Richtlinien für die Ausstattung und den Betrieb von Straßentunneln (RABT) sehen vor, dass der Rauch eines brennenden Fahrzeugs (bei langen Tunneln) abgesaugt wird. Das würde den Fehmarnbelt-Tunnel sehr teuer machen, weil über dem eigentlichen Fahrtunnel noch ein weiterer Tunnel für die Rauchabsaugung gebaut werden müsste. In Deutschland gibt es aber bisher keine so langen Tunnel, sodass die RABT eigentlich von kürzeren Tunneln ausgehen. Deshalb hat man für den Fehmarnbelt-Tunnel ein Konzept entwickelt, bei dem mit Längslüftern der Rauch aus der Röhre hinausgedrückt wird. Bisher ist dies in Deutschland nur für kürzere Tunnel erlaubt. Beim Fehmarnbelt-Tunnel, der ja an Land gebaut wird, kompensiert man das Risiko dadurch, dass in kurzen Abständen Türen in die Zwischenwände eingebaut werden, die es den Fahrzeuginsassen ermöglichen, bei Brand in den Service-Tunnel zu wechseln, der unter leichtem Überdruck steht. Der Rauch in der Fahrröhre wird dann in Fahrtrichtung hinausgeblasen.

Welche Rolle spielen Ökologie und Nachhaltigkeit beim Tunnelbau?
Mittlerweile spielen Ökologie und Nachhaltigkeit eine relativ große Rolle. Sie werden oft schon vom Auftraggeber in der Angebotsphase abgefragt. Themen sind Lärm, Luftqualität, aber auch die eingesetzten Materialien und die Aushubwiederverwendung. Wenn irgend möglich, wird heute ein Teil des Aushubmaterials aufbereitet, um es als Zuschlagstoff für den Beton zu verwenden. Auch sucht man nach Wegen, den Aushub anderen Industrien zur Verfügung zu stellen.

Tunnel werden manchmal aus ökologischen Gründen abgelehnt.
Hier muss man genau hinschauen, ob die ökologischen Gründe stichhaltig sind oder ob sie nur dazu dienen sollen, ein Projekt zu verhindern. Tunnel leisten einen positiven Beitrag zur Umwelt, weil sie Verkehr leiser
machen oder dazu führen, dass umweltfreundliche Alternativen wie die Eisenbahn aufgrund schnellerer Transporte attraktiver werden. Gerade in Städten können unterirdische Verkehrssysteme die Innenstadt und die Einwohner sehr entlasten. Man muss hier sehr sorgfältig abwägen.

Wie entspannen Sie sich?

Auch wenn ich mich für Tunnel begeistere, entspanne ich mich eher an der Erdoberfläche. Ich wandere, genieße die Natur mit meiner Familie, betreibe Wintersport. Doch allzuviel Freizeit bleibt nicht übrig. 


Das Gespräch führte Dagmar Rees.

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Artikel von Interview aus der ETR Ausgabe 11/2015
Artikel von Interview aus der ETR Ausgabe 11/2015