Interviews

Dr. Hans-Jürgen Witschke

Wir sind der Treiber der Energiewende

Seit der Liberalisierung des Bahnstroms hat DB Energie erhebliche Marktanteile verloren. Gleichzeitig ist das Unternehmen Garant für die Klimaziele der Deutschen Bahn. ETR sprach mit Dr. Hans-Jürgen Witschke, Vorsitzender der Geschäftsführung DB Energie, über grünen Strom und Wirtschaftlichkeit.

Was sehen Sie als die Aufgaben von DB Energie?

Die DB Energie GmbH versorgt den Bahnsektor bei hoher Versorgungssicherheit mit Diesel, Schmierfetten und Strom. Wir als Energielieferant der Deutschen Bahn sehen uns als den Treiber der Energiewende in Deutschland. 2020 wird die DB beim CO2-Ausstoß ein Minus von 20 % gegenüber dem Referenzjahr 2008 erreicht haben, 2030 dann ein Minus von 30 %. Im Verkehrssektor insgesamt ist die Entwicklung dagegen genau umgekehrt: Hier ist der CO2-Ausstoß zwischen 2008 und 2014 um 5 % gestiegen. 

Wie hoch ist der Anteil erneuerbarer Energien bei DB Energie augenblicklich?

Augenblicklich liegt der Anteil bei 42 %, 2020 werden es 45 % sein – damit liegen wir im Wettbewerb weit vorne. Im motorisierten Individualverkehr liegt der Anteil bei 5 bis 7 %, im Luftverkehr werden gar keine erneuerbaren Energien eingesetzt. E-Mobilität, um die bei der Autoindustrie so ein Rummel gemacht wird, gibt es bei der Bahn schon seit mehr als 100 Jahren. 

Doch nicht alle Strecken sind elektrifiziert. Welche Brennstoffe werden aus Ihrer Sicht den Diesel ablösen?

Augenblicklich haben wir ein Hybridprojekt laufen und beteiligen uns erstmals an einer Wasserstoffausschreibung. Wir sind dabei, eine Wasserstoffversorgungs-Infrastruktur zu projektieren. Die Diesel-Nachfolge ist keine technische, sondern eine wirtschaftliche Frage. Wir haben den hohen Einsatz erneuerbarer Energien rein eigenwirtschaftlich erreicht und wollen auch bei Diesel-Alternativen Treiber sein. 

Die Energiekosten spielen eine große Rolle bei der Wettbewerbsfähigkeit eines Verkehrsträgers. Können Sie den hohen Anteil von Strom als Energieträger als Vorteil einsetzen?

Leider bringt uns das im Modal-Split keine Wettbewerbsvorteile, vielmehr sind wir seit der EEG-Novelle 2013 als Bahn zusätzlich mit EEG-Abgaben belastet, wodurch sich unsere Wettbewerbsfähigkeit verschlechtert hat. Auch haben die Energieversorgungsunternehmen die Netzkosten zum 1. Januar um bis zu 80 Prozent angehoben, was uns zusätzlich belastet.

Sie haben ein eigenes Bahnstromnetz – warum belastet es Sie, wenn Energieversorger die Netzkosten anheben?

Rund 70 % des benötigten Stromes speisen wir direkt ins Bahnstromnetz ein, für die restlichen 30 % benutzen wir öffentliche Netze, in der Regel zur Abdeckung der Bedarfsspitzen. 

Wie hoch ist die EEG-Abgabe für Sie?

Im vergangenen Jahr hat die DB 167 Mio. EUR EEG gezahlt. In nur drei Jahren hat sich die Abgabe verdreifacht. Insgesamt führen wir als DB Energie rund 500 Mio. EUR pro Jahr an Abgaben ab. Und aus dem EEG werden noch weitere Kosten auf uns zukommen. Der für die Durchleitung des in den Windparks im Norden gewonnenen Stroms notwendige Netzausbau steckt noch in den Anfängen und dieser Netzausbau wird wesentlich teurer werden als bisher, weil der Gesetzgeber dem Erdkabel Vorrang vor der Freileitung gegeben hat, was den Bau um den Faktor 8 bis 10 verteuert. 

Ursprünglich haben Sie gar keine EEG-Abgabe zahlen müssen.

Für den direkt aus Bahnstromkraftwerken in unser Netz eingespeisten Bahnstrom nicht, was nachvollziehbar ist, da wir nicht Teil des öffentlichen Energieversorgungssystems sind. Wenn wir aus dem öffentlichen Netz bezogen haben, haben wir natürlich die entsprechende EEG-Abgabe gezahlt, das war für uns gar keine Frage. Doch da die EEG-Kosten so gestiegen sind – auf inzwischen rund 23 Mrd. EUR – und weite Teile der exportorientierten Industrie vom EEG befreit sind, wurden auch privilegierte Großverbraucher, wie wir, stärker in die Pflicht genommen. Das beißt sich natürlich mit dem Anspruch mehr Verkehr auf die Schiene zu holen.

Sie haben von eindeutigen Wettbewerbsnachteilen wegen der EEG-Kosten gesprochen. Können Sie das nachweisen?

Wir haben eine Studie erstellen lassen, ob die höheren Kosten wettbewerbsrelevant sind. Das klare Ergebnis war: Ja.

Speziell im Güterverkehr oder insgesamt?

Im Güterverkehr sowieso, da die Margen hier niedrig sind. Nennen Sie mir einen Anbieter von Güterverkehr auf der Schiene in Deutschland, der sagen kann: Mir geht es gut. Güterverkehr ist ein ganz schwieriges Terrain.

DB Energie hat kein Bahnstrom-Monopol mehr. Wie steht Deutschland damit im europäischen Vergleich da?

Die Bahnstromnetze in Europa sind aufgrund unterschiedlicher Frequenzen beim Bahnstrom weitgehend voneinander abgeschottet. Grundsätzlich gibt es kein Land in Europa, in dem der Energiewettbewerb auf der Schiene so weit gediehen ist wie bei uns. Wir haben ein vollständiges Durchleitungssystem, bei dem jedes Verkehrsunternehmen seinen eigenen Strom mitbringen kann, und ein ausgeklügeltes Zählersystem, die Thema-Boxen. Diese Thema-Boxen sind in jeder Lokomotive installiert und messen den Stromverbrauch. 

Sie sind seit 2013 dabei, die Technik umzustellen – die Durchleitung ist doch schon Fakt. Wie regeln Sie dies in der Übergangszeit? 

Augenblicklich sind wir in der Lage, einen tageweisen Wechsel der Nutzer abzubilden, mit Abschluss eines komplexen IT-Projektes auch einen stündlichen Wechsel.

Wie hoch ist der Wettbewerbsanteil bei der Energie – das heißt, wie viel leiten Sie noch durch?

Die externen Eisenbahnverkehrsunternehmen hatten im vergangenen Jahr einen Energiebedarf von 2.200 GWh, von denen wir noch 760 GWh abdecken, wir haben also erheblich verloren. Das liegt an unserer Aufstellung. Wir haben Kraftwerksverträge, auf Basis derer wir den Strom aus dem Kraftwerk direkt in unser Bahnstromnetz einspeisen. Dafür zahlen wir grundsätzlich kostenbasierte Preise plus eine Marge. Diese Preise waren lange Zeit wettbewerbsfähig. Heute liegen die Marktpreise allerdings deutlich darunter, d.h. es ist günstiger, den Strom an der Börse zu kaufen und über das öffentliche Netz bei uns einzuleiten. Teilweise gibt es sogar negative Preise, das heißt, man bekommt Geld, wenn man Strom abnimmt. 

Würden Sie sich deswegen von der eigenen Stromerzeugung verabschieden?

Nein, das wollen wir nicht. Dafür brauchen wir allerdings wettbewerbsfähige Bezugspreise, die auf kurz oder lang mit unseren Lieferanten zu erreichen sein werden. Der entscheidende Punkt ist indes, dass wir über die Direkteinspeisung das öffentliche Stromnetz nicht benutzen und damit auch nicht bezahlen müssen. Vor dem Hintergrund drastisch steigender Entgelte für die Netze ist dies von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung. Zudem belasten wir die Netze damit auch nicht zusätzlich, was einen weiteren Ausbau notwendig machen würde, der eh schon schwierig genug ist. 

Bei der Erzeugung von erneuerbaren Energien durch Windkraft liegen die Erzeugung und der Verbrauch von Strom räumlich weit auseinander. Neue Hochspannungsleitungen sind in der Bevölkerung sehr umstritten. Böte das Bahnstromnetz hier eine Lösung? 

Nein. Wir haben das gemeinsam mit der Bundesnetzagentur in einem Gutachten prüfen lassen, da wir diese Überlegung auch angestellt hatten. Schließlich sind wir die einzigen, die durchgehende Trassen von Norden nach Süden haben. Das Ganze ist leider hochgradig unwirtschaftlich und würde zudem den Eisenbahnbetrieb gefährden. 

Und wenn Sie Umrichter auch für den „Normalstrom“ einsetzen, d. h. 50 Hz wird in Mecklenburg-Vorpommern in 16,7 Hz umgewandelt und in Bayern wieder in 50 Hz?

Unser Bahnstromnetz hat eine Spannung von 110 kV, was Transporte verlustbedingt über mehr als 70 km unwirtschaftlich macht. Wir müssten schon auf 380 kV gehen, womit komplett neue planfestgestellte Leitungen gebaut werden müssten. Wir hätten also nichts gewonnen. 

Sie haben Ladestationen für Tesla-Autos gebaut. Wird dies weitergeführt oder, anders gesagt, wird DB Energie die Elektromobilität der Autoindustrie voranbringen?

Es gibt derzeit noch kein tragfähiges Geschäftsmodell, man kann mit Ladestationen für Elektroautos noch kein Geld verdienen. Gleichzeitig ist natürlich unbestritten, dass Elektromobilität im Individualverkehr Fahrt aufnehmen wird. 

Technisch sind wir schon sehr weit. Wer in Deutschland etwas in Richtung Lade-Infrastruktur machen will, landet – erst Recht, wenn es um die Infrastruktur der Bahn geht – schnell bei DB Energie. Darum haben wir auch den Auftrag von Tesla bekommen, wenn auch die Zusammenarbeit inzwischen beendet ist.

DB Energie ist beim Programm „Zukunft Bahn“ nicht dabei – warum?

Zukunft Bahn ist ein Qualitäts-Thema. Qualitative Probleme haben wir mit einer Versorgungssicherheit von 99,99 % nicht. 

Wie viele Verspätungsminuten verursacht DB Energie pro Monat?

Unsere Versorgungssicherheit ist deutlich höher als im öffentlichen Netz. Daran lässt sich schon ablesen, dass die Größenordnung in den vergangenen Jahren nicht nennenswert gewesen ist.

Wir haben viel über Nebengeschäfte gesprochen – was wären für Ihr Kerngeschäft die Zukunftsaufgaben?

Kurz gesagt: die Darstellung der Energiewende im Eisenbahnsektor. Wir haben nach wie vor die Vision, 2050 CO2-frei zu fahren. Wir müssen den Konflikt zwischen Wirtschaftlichkeit und Umweltfreundlichkeit bewältigen. Mit der heutigen Technologie ist das allerdings noch nicht darstellbar. Es fehlt vor allem an der geeigneten Speicher-Technik. Solange wir keine geeigneten Speichertechnologien haben, die vor allem auch wirtschaftlich tragfähig sind, werden wir auf konventionelle Stromerzeugung nicht verzichten können. Bei den konventionellen Kraftwerken wiederum wird es darauf ankommen, die effizientesten und damit umweltfreundlichsten durch geeignete Marktstrukturen am Netz zu halten. Dazu gehören Gaskraftwerke und noch moderne Kohlekraftwerke. 

Wie hoch ist der Kernenergieanteil am Bahnstrommix?

Wir haben mit knapp 16 % (2015) ähnliche Prozentsätze wie das öffentliche Netz. Es gibt einen Stromabnahmevertrag mit dem KKW Neckarwestheim, dem letzten Kernkraftwerk, das 2022 vom Netz gehen soll. Ersatz ist vorbereitet. Wir beziehen die notwendigen Strommengen entweder aus dem öffentlichen Netz oder suchen noch weitere Möglichkeiten, erneuerbare Energien zum Einsatz zu bringen. Hier müssen wir jedoch die Wettbewerbssituation beachten. Wir müssen entscheiden, was wir uns noch zusätzlich zu den schon erreichten 45 Prozent an erneuerbaren Energien leisten können. Sonst kann es passieren, dass wir zwar grün fahren, aber niemand mehr mit uns fährt. 

Wie hoch ist der Stromverbrauch durch den Bahnverkehr insgesamt?

Er liegt augenblicklich bei 10 Terrawatt pro Jahr, das entspricht 1 % des Gesamtstromverbrauchs in Deutschland oder dem Verbrauch des Großraums Berlin. 

DB Energie hat seit der Liberalisierung erheblich verloren – statt 2200 GWh Bahnstrom kommen nur noch 760 GWh aus Ihrem Hause. Wie kompensieren Sie diese Verluste?

Erstens haben wir ein Industriekundengeschäft außerhalb der Bahn, in dem wir nach wie vor wachsen, wenn auch sehr margenschwach. Zweitens haben wir ein Handelsgeschäft mit großen Volumina, wodurch auch Handelsgewinne realisiert werden können. Und natürlich kämpfen wir darum, unseren Anteil am Bahnstrom wieder zu erhöhen. 

Das Gespräch führte Dagmar Rees während eines Pressetermins.

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Artikel von Interview aus der ETR, Ausgabe 3/17
Artikel von Interview aus der ETR, Ausgabe 3/17