Interviews

Dr. Dipl.-Ing. Alfred Veider

"Als gelernter Österreicher auf den Bahnmärkten der Welt unterwegs"


Bis Dezember 2011 führte Dr. Alfred Veider als Präsident den Verband der Österreichischen Bahnindustrie. Im November gabe er der ETR ein Interview und sprach über Ziele und Aufgaben des Industrieverbandes sowie über die Chancen der österreichischen Unternehmen auf den Weltmärkten und über technologische Leistungen "Made in Austria".

 

Der Verband der Bahnindustrie in Österreich existiert seit nunmehr sechs Jahren. Was war der Hintergrund für die Gründung, die im Verhältnis zu den Nachbarländern doch recht spät erfolgte?

Natürlich gab es vorher schon Arbeitskreise im Sinne einer Interessensvertretung. Marktentwicklungen und Vorbilder in anderen europäischen Ländern haben diese Entwicklung zu einem starken Interessenverband geformt. Gerade vor  dem Hintergrund der letzten zehn Jahre mit ihrer deutlichen Internationalisierung des Bahnmarktes macht Verbandsarbeit nicht nur national, sondern auch international Sinn.

 

Sie meinen die UNIFE ?

Ja, zum Beispiel die UNIFE und alle ihr angeschlossenen Länderverbände. Die Zahl wächst kontinuierlich. Kürzlich hat sich ein Bulgarischer Industrieverband konstituiert. 

 

Wie viele Mitglieder hat Ihr Verband aktuell?

Das sind zurzeit 23 Mitglieder. Allerdings grenzen wir uns zur reinen Bautechnik ab. Wir konzentrieren uns stärker auf die Bereiche Elektronik und Elektrifizierung. Wobei aber auch Gleisbaufirmen, wie z. B. Plasser & Theurer, zu unseren Mitgliedern zählen.

 

Welche Schwerpunkte hat sich der Verband für seine derzeitige Politik gesetzt? 

Wir waren uns von Anfang an einig, dass wir einerseits eine Interessensvertretung haben wollen, dass es uns aber auch sehr deutlich um den Verkehrsträger Schiene im Besonderen geht. Wir wollen aktiv mitdiskutieren und mitgestalten,  wenn es um die Fragen geht: Welchen politischen und gesellschaftlichen Stellenwert hat der Verkehrsträger Schiene in der Zukunft? Welche Investitionen sollen dort getätigt werden?

 

Was bedeutet das konkret, auch bezogen auf den Aktionsradius national und international?

Es sind zwei Dinge, die uns antreiben. Zum einen ist Verkehrspolitik rein national praktisch nicht mehr durchführbar. Ein Land wie Österreich hat eine sehr starke geopolitische Vernetzung mit den angrenzenden EU-Mitgliedsländern. Wir sind angeschlossen an zentrale Verkehrsstränge wie z.B. die Nord-Süd-Trassierung Deutschland – Italien durch den Brennertunnel. Also hat Österreich ein vehementes Interesse daran, in eine internationale Verkehrspolitik eingebettet zu sein. Das überträgt sich auch auf die Verbandsarbeit und auf die Zusammenarbeit mit den Deutschen und den Schweizer Kollegen, mit der UNIFE und anderen Landesverbänden.

 

Und das zweite Element ?

Das zweite ist, das Thema Verkehrsträger wird ja nicht nur fachlich diskutiert, sondern hat selbstverständlich auch eine gesellschaftspolitische Dimension. Und daher muss so ein Verband natürlich auch in Richtung Politik arbeiten, in Richtung Öffentlichkeitsarbeit und nicht nur die reine Interessensvertretung sein – vor allem im nationalen Umfeld.

 

Wo sehen Sie die Besonderheiten der österreichischen Bahnindustrie-Unternehmen?

Wir sind eine starke Truppe (lacht). Aber im Ernst: Bezogen auf die Landesgröße ist unsere Bahnindustrie überproportional aktiv unterwegs. Wenn Sie den Anteil Österreichs an der EU nehmen und auch den Anteil Österreichs an der Welt, dann ergibt sich ungefähr ein Faktor 2,5 mit dem wir überrepräsentiert mit unserer Bahnindustrie im Ausland agieren. Eine stolze Größe, wie ich meine. Und es bedeutet auch, dass damit Wertschöpfung im eigenen Land gemacht wird.

Haben Sie Beispiele?

Natürlich. Nehmen wir etwa die Firma Plasser & Theurer, die finden Sie praktisch in jedem weltweiten Bahnprojekt mit ihren Bahnbaumaschinen. Oder die Firma Kapsch, die weltweit bei Kommunikationstechnik und GSMR sehr erfolgreich unterwegs ist.

 

Wie steht es mit Ihrem eigenen Unternehmen?

Genau, Thales ist auch dabei. Wir sind sehr stolz darauf, in der Leit- und Sicherungstechnik und bei ETCS international ganz vorne mitzuspielen. Auch im Bereich Fahrzeuge haben wir in Österreich Spitzentechnologie zu bieten. Die Firma Siemens unterhält ein Kompetenzzentrum für Fahrzeuge in Wien. Also: Entwicklung von leistungsfähigen und umweltfreundlichen Antriebssystemen ‚Made in Austria‘.

 

Wo sehen Sie für die österreichischen Firmen Zukunftsmärkte und Chancen?

Da muss ich etwas ausholen. Generell ist der Transportmarkt und speziell der Schienentransportmarkt ein wachsender Markt. Ich beziehe mich hier auf die UNIFE-Studie zum Weltmarkt und zur Weltmarkteinschätzung, die letztes Jahr  nur Innotrans erschienen ist. Ich glaube sogar bei Ihnen, also Eurailpress, verlegt. In dieser Studie wird ein moderates, aber attraktives Wachstum in den Altmärkten, also Europa, und ein signifikantes Wachstum in den asiatischen Märkten, vor allem in den Ballungszentren prognostiziert.

 

Also China?

Ja, China. Aber auch Korea, Indien. Das sind Märkte, wo investiert wird. Hinzukommen die nordafrikanischen Länder, sicher im Moment durch die Umwälzungen etwas gehandicapt, bis hin zum arabischen Raum. Auch in Europa werden durch die Verkehrspolitik mit dem neuen Weißbuch, das im März dieses Jahres aufgelegt wurde, Langfristziele gesetzt, die uns durchaus auch optimistisch stimmen.

 

Wie ist eigentlich Ihr Verhältnis zu den Bahnindustrieverbänden in den Nachbarländern?

Das ist ausgesprochen konstruktiv und auch ausgesprochen freundschaftlich. Und das kommt nicht nur – der Wiener sagt immer „aus der Wiener Charme Situation“, sondern weil es eine übereinstimmende Interessenslage gibt.

 

Welche denn?

Alle Verbände stimmen in der Zielsetzung eines verstärkten Verkehrsträgers Schiene überein. Alle betreiben auch entsprechende Öffentlichkeitsarbeit, um diesen Verkehrsträger nach vorne zu bringen. Natürlich versuchen alle, sich  doch irgendwie mit Ihren Beiträgen dazu, nämlich mit ihren modernen und wettbewerbsfähigen Produkten abzustimmen. Die Zusammenarbeit ist sehr konstruktiv bis hinauf zur europäischen Zusammenarbeit unter dem Dach der UNIFE. Ein Beispiel: Wir erheben als nationaler Verband, aber auch in Abstimmung mit den anderen Verbänden unsere Stimme gegen Entwicklungen wie den Giga-Liner. Wir wollen keine Züge auf der Straße! Das hat sich über Verbandsarbeit in alle Länder fortgepflanzt; das Zusammenspiel funktioniert hervorragend.

 

Ein wichtiges und zukunftsträchtiges Feld für die Bahnindustrie ist der Themenkomplex Umwelt, Green Tech, Nachhaltigkeit. Wie ist die österreichische Industrie hier aufgestellt?

Sehr gut. Österreich hat seit jeher eine hohe Sensibilität zu Umweltthemen. Wir waren immerhin eines der ersten Länder, das die Atomkraft abgelehnt hat und zwar über ein Volksplebiszit 1978. Wir waren und sind immer besonders empfindlich darauf, ob bei uns Gentechnik in der Landwirtschaft eingesetzt wird. Das Land ist sehr empfänglich für Signale in Richtung Ökologie.

 

Und das bedeutet?

Das bedeutet, dass die Politik, aber auch öffentliche Unternehmen wie die ÖBB in diese Richtung argumentieren und agieren. Selbstverständlich färbt das dann auf die Zulieferindustrie ab, weil sie selbstverständlich aufgerufen ist, entsprechende Produktlösungen zu liefern.

 

Haben Sie Beispiele dafür?

Klar. Ich nenne Ihnen ein Beispiel, das auch Schule machen wird, weit über die Landesgrenzen hinaus. Wir arbeiten mit der ÖBB an Themen, die zum Beispiel erlauben, Energie für das Bahnfahren zu sparen.

 

Interessant. Geht das konkreter?

Die ÖBB arbeitet an einem Betriebsführungssystem, das sehr vernetzt sein wird, und im Grunde genommen über fünf Betriebsführungszentralen in ganz Österreich den gesamten Verkehr mit all seinen Zugbewegungen steuern wird. Es ist aus meiner Sicht das modernste System, das zurzeit in Europa ausgerollt wird.

 

Sehr spannend, das müssen Sie genauer erklären…

Nachdem Sie in diesen Betriebsführungszentralen die Zugbewegungen zentral vorliegen haben, und zwar mit Ort und Geschwindigkeit, können Sie eine Gesamtoptimierung der Zugbewegungen hinsichtlich Energieverbrauch vornehmen. Was Sie vorher noch nicht machen konnten, weil Information in dieser Form nicht verfügbar waren. Also: Wo überholen Sie welchen Zug, wo bremsen Sie ihn ein, wo läuft er auf ein Signal auf, wo nicht usw.

 

Es wird also eine Art ‚genetischer Fingerabdruck‘ des Zugverkehrs erzeugt?

Richtig, genau. Und wir haben durch Studien nachgewiesen, dass über eine ganz einfache Maßnahme, nämlich eine Soll-Vorgabe einer Geschwindigkeit, die zum Beispiel die Signaltechnik erlaubt oder über ETCS gesteuert wird, man grundsätzlich dann 3, 4 oder 5 km/h weniger in bestimmten Abschnitten fahren lässt. Mit der Folge: die Züge müssen nicht bremsen und wieder beschleunigen. Auf diese Weise sind zehn bis zwölf Prozent Energieersparnis drin.

 

Noch einmal ein Blick auf die internationalen Märkte. Wir sprachen von Chancen in Asien, in Amerika, in Nordafrika. Jetzt kommt aber auch der Umkehrtrend. Asiatische, besonders chinesische Firmen drängen seit geraumer Zeit verstärkt auf den europäischen Markt, aber auch auf die Weltmärkte. Wie stellt sich die österreichische Industrie darauf ein?

Ja, das ist zweifelsohne so. Der Wettbewerb mit China, der ist da. Das ist ein Faktum und wir können im Grunde genommen lauter rationale Gründe finden, warum das so ist. Die Chinesen investieren in die Eisenbahn, die Chinesen haben ein großes Land, die Chinesen haben Transportprobleme, und zwar sowohl im Städte-Verbindungsverkehr wie im Nahverkehr. Aber auch im Frachtbereich. China ist zweifelsohne ein Zukunftsland für die Eisenbahntechnik.

 

Was bedeutet das?

Wir sollten uns aber deshalb nicht fürchten. Europa und seine Bahnindustrie sollten aus einer Situation des Selbstbewusstseins heraus agieren. Wir sprechen immer von der so genannten Wissensgesellschaft, oder? Also Europa hat die Zukunft in der Wissensgesellschaft. Bei der Bahntechnik liegt tatsächlich das überwiegend weltweit  vorhandene Know-how noch in Europa. Wir sind führend in der Bahntechnik, und alle modernen Entwicklungen, die zum Beispiel jetzt auch in China laufen, sind letztlich in Europa getätigt worden. Es ist also unsere Aufgabe, dort selbstbewusst, aber klug für die Zukunft, zu versuchen, diesen Vorsprung zu halten. Es ist nicht vermeidbar, dass chinesische Unternehmen auf den Weltmärkten agieren. Ich halte überhaupt nichts von protektionistischen Maßnahmen, das wird sowieso nicht funktionieren. Allerdings müssen wir uns bewusst sein, dass wir nicht naiv sein dürfen. Wir dürfen nicht so schnell unsere Technologie hergeben und wir müssen unsere intellectual property rights, wie das so schön heißt, auch entsprechend schützen. Dann haben wir Chancen.

 

Zeigt aber der jüngste Unfall im Hochgeschwindigkeitsverkehr in China nicht, dass die Entwicklung und der Einsatz von Schlüsseltechnologien doch noch etwas anderes bedeutet, als nur eine Strecke aus dem Boden zu stampfen?

Sie dürfen nicht davon ausgehen, dass die Ingenieure und Fachexperten dort nicht dazu lernen. Und zwar schnell. Wir wissen, dass Südkorea seit Jahren der Pisa-Sieger ist, also sie sind alle perfekt ausgebildet. Wenn Sie heute nach China fahren, dann sitzen ihnen als ein promovierter Europäischer Ingenieur annähernd 50 promovierte Chinesische Kollegen gegenüber. Und mindestens zwei davon sind mindestens so klug wie Sie. Das dürfen Sie nicht unterschätzen.

 

Wie sehen Sie im Moment insgesamt die Situation der österreichischen Bahnindustrie?

Wir sind durch die schwierigen Krisenjahre 2009/2010 im großen und ganzen gut durchgekommen ohne signifikante Auftragsrückgänge. Auf der Fahrzeugseite war es ein bisschen anders, aber auch das Geschäft hat mittlerweile wieder angezogen. Schwer vorhersehbar wird es in den nächsten Jahren werden, wenn einige Länder daran arbeiten müssen, ihren Schuldenstand deutlich zu minimieren. Dann können, und werden sicherlich auch, teilweise geplante Investitionen in die Schiene wieder zurückgenommen werden. Speziell auf Österreich angesprochen ist zu sehen, dass Österreich sehr ambitionierte Infrastrukturplanungen hat. Vor allem durch die Ausbau- und Tunnelprojekte. Zurzeit investiert Österreich absolut in Zahlenrelation ungefähr das Gleiche wie Deutschland in die Schiene, obwohl wir nur ein Zehntel so groß sind. Da können Sie sehen, wie verschoben hier die Prioritäten sind.

 

Partizipiert denn die heimische Industrie auch daran?

Selbstverständlich profitiert auch die Bahntechnik, nicht nur die Bautechnik davon, allerdings mit einem kleineren Prozentsatz. Wir sagen immer ganz grob, wenn in die Bahn investiert wird, dann sind wir maximal mit 10 bis 20 % daran beteiligt, 80 % geht in den ‚Beton‘. Vor allem beim Tunnelbau ist das natürlich nicht zu unterschätzen. Das muss man aber positiv bewerten, weil es bedeutet, dass die Infrastruktur auch zukünftig ausgebaut wird. In Folge dessen werden auch nachgeordnete Aufträge in Fahrzeuge, Elektrische Anlagen, Signaltechnik und ETCS, etc. folgen. 

 

Das Thema ETCS ist industrieseitig sicherlich ein wichtiges Thema, oder?

Ja, sehr. ETCS möchte ich aus zwei Sichtweisen kommentieren: Aus der reinen Industrieverbandssichtweise ist ETCS ein großartiger Erfolg. ETCS für die Bahnindustrie Europas ist vor allem deswegen ein Erfolg, weil auf diese Art und Weise der Bahnmarkt zu einem globalen Markt geworden ist. Also Sie haben jetzt einen Multianbietermarkt, das ist für die Industrie nicht so gut, weil es Konkurrenz ist, aber Sie haben auch einem Multikäufermarkt. Und das hat uns die Märkte geöffnet.

 

Also potenziell größere Planungs-Stückzahlen?

Selbstverständlich, und man hat auch die Masseneffekte… 

 

…und Preiseffekte für die Bahnen? 

Auch. Und zugleich Markterschließungseffekte. Ich bin mit ETCS nach Südkorea gekommen, und ich wäre mit keinem anderen Produkt nach Südkorea gekommen, nie im Leben. Unterschätzen wir ja nicht ETCS. Diese aus Europa kommende Technologie wird mittlerweile mindestens gleichrangig im weltweiten, nicht europäischen Raum angewendet. Dort gibt es keine negativen politischen Einflüsse. Wenn die Koreaner davon überzeugt sind, dass das eine gute Spezifikation ist und dass das ein gutes Produkt ist, dann machen die das ganz einfach. 

 

‚Wir müssen mit unserem Wissensstand immer vorne weg bleiben‘, das ist Ihre Meinung zu den Herausforderungen. Wie läuft eigentlich die Zusammenarbeit der Industrie mit der Wissenschaft in Österreich?

Die Zusammenarbeit mit den wissenschaftlichen Institutionen, Universitäten, Fachhochschulen ist gut. Wir arbeiten sowohl im technischen Bereich mit den Technischen Universitäten zusammen, aber auch mit den Wirtschaftsuniversitäten im Hinblick auf die Logistik und die Ökonomie des Transports. Das ist für uns ganz wichtig, denn Schienenverkehr ist nicht nur eine technische Frage. Das Problem überhaupt ist aus meiner Sicht die Nachwuchspflege.

 

Wie rekrutieren Sie intelligente, junge Leute, für die Bahnindustrie?

Das ist ein sehr wichtiges Thema für unsere Öffentlichkeitsarbeit. Den Schwerpunkt dabei sehe ich gerade auch in der Schaffung eines besseren Images der Branche. Wie bringen Sie heute einen 15-/16-jährigen oder hoffentlich auch einmal eine Dame dazu, in diesem Bereich tätig zu sein? Sicher wohl nicht zuvorderst über Verdienstmöglichkeiten. Aber zum Beispiel über den „grünen“ Gedanken: „Ich kann die Welt ein bisschen verbessern, wenn ich mich für die Schiene engagiere“.

 

Ist das alles?

Nein. Aber in der heutigen Zeit durchaus eine starke Triebfeder. Natürlich muss man auch über das Thema Hochtechnologie kommen, und über die Themenführerschaft darin weltweit. Sagen Sie mir noch zwei, drei andere Themenfelder, wo Europa technologisch weltweit so weit vorne ist. Wenige Bereiche fallen mir da ein, ganz, ganz wenige. Und das müssen wir viel stärker transportieren, damit die jungen, talentierten Leute in diese Branche gehen. Das wird uns helfen.

 

Zum Ende dieses Interviews noch ein bisschen Privates. Sie sind ja von Hause aus Physiker, kein Eisenbahningenieur, richtig?

Ja.

 

Wie sind Sie denn überhaupt in die Welt der Eisenbahn geraten?

Ich könnte jetzt, sozusagen hochmütig, antworten: Ein Physiker kann alles. Das mache ich aber nicht, weil es gibt ja auch Gegenbeispiele, die erwähne ich jetzt lieber nicht. Allerdings ist es tatsächlich so, dass diese Ausbildung einen Menschen zu sehr vielen Karrieremöglichkeiten befähigt.

 

Und was hat bei Ihnen den Ausschlag gegeben?

Der Ausschlag liegt bei mir im Zusammenhang mit meiner früheren Tätigkeit direkt nach der Universität. Ich war auf  dem Sektor der Übertragungstechnik, damals Glasfasertechnik und Halbleitertechnik, tätig und kam dabei mit der Anwendung moderner Kommunikationstechnik in Verbindung mit Vernetzung von Transportsystemen in Berührung. Das hat mich sehr fasziniert, weil ich daran glaube, dass dieses Thema gesellschaftspolitisch so überaus relevant ist. Wenn wir das Thema Transport und Verkehr im Umfeld von Gesellschaft und Umwelt im Sinne einer leistungsfähigen, aber auch nachhaltigen Mobilität nicht bearbeiten und zukunftsträchtige Lösungen finden, bekommen wir ein ganz großes gesellschaftliches Problem. Ich arbeite gern und leidenschaftlich an einem Thema mit, wo ich so ein bisschen das Gefühl haben kann, da kann man noch etwas bewegen, da kann man noch was beitragen zum Wohle aller.

 

Hat eine Person oder ein Ereignis Ihren beruflichen Lebensweg besonders geprägt?

In gewissem Sinne mein Doktorvater Professor Klaus Stierstadt, bei dem ich an der Universität München meine Doktorarbeit verfasst habe. Der hat uns Studenten eigentlich immer mitgegeben: Es gibt nichts Gutes ausser man tut es. So ist es auch in der Physik. Die ganz großen Theorien, sie haben alle eine Berechtigung, darüber nachzudenken. Aber: Wenn man die Möglichkeit hat, aus einer Idee etwas Konkretes, etwa ein Produkt, zu machen, und alle diese technischen Schwierigkeiten dazwischen überwindet, und danach auf ein erfolgreiches Werk schauen kann, das bedeutet mir sehr viel und das hat er mir mitgegeben.

 

Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg? 

Keine einfache Frage. Ich hänge sehr stark an dem Gedanken, mit Menschen zusammenzuarbeiten. Und da gibt es schöne Beispiele. Eine der ganz großen Einflussgrößen für meine Generation, ich bin 1960 geboren, war der Satz von John F. Kennedy, „Wir werden auf den Mond fliegen innerhalb dieser Dekade – nicht weil es leicht ist, sondern weil es schwierig ist“. Mit diesem Satz hat er eine ganze Generation in Amerika beeinflusst. Nicht nur in Amerika, er hat seine Rede in Berlin gehalten, überall.

 

Und welche Bedeutung hat das für Sie persönlich?

Man braucht etwas, woran man in seinem Leben glaubt. Ich glaube, etwas für die Öffentlichkeit zu tun, und sei es auch nur im Verkehrssektor. Das ist wie eine Mission. Das ist die eine Seite. Die zweite Seite ist, man fliegt nicht auf den Mond mit der Leistung eines einzelnen. Sie müssen zusammenarbeiten, und das bringt den Gedanken, mit Menschen zu arbeiten. Das tue ich sehr gern. Erfolg bedeutet für mich, wenn man mit einem Team eine Leistung erbracht hat, und die einem Genugtuung und eine Freude verschafft hat.

 

Letzte Frage: Was geben Sie jungen Menschen, die in den Beruf streben (hoffentlich in die Bahnbranche) mit auf den Weg?

Erstens: Lernt etwas. Und zweitens: Man kann nur dort eine gute Leistung bringen, wenn man etwas gelernt hat und dies dort einbringt, was einem am Herzen liegt. Das sind die besten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Entwicklung. Und das dritte ist heute Internationalität, Sprachen lernen, auf andere Kulturen eingehen, dieses Miteinander sozusagen zu verinnerlichen. Ich glaube, das macht die heutige Generation schon sehr stark. Für mich ist es immer noch ein Wunder, als gelernter Österreicher, ohne Pass über die Ostgrenze zu fahren.

 

Herr Dr. Veider, vielen Dank für das Gespräch.

 

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Artikel von Interview aus der ETR, Ausgabe 11/2011
Artikel von Interview aus der ETR, Ausgabe 11/2011