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Als Bahnhofsmanager 24/7 in Bereitschaft

Danny Derbe ist zweifacher Familienvater und leidenschaftlicher Eisenbahner. Er ist vom Rad-Schiene-System überzeugt und sagt: „Ich liebe die Bahn. Es ist ein nachhaltiges Produkt und für mich das optimalste System der Fortbewegung“. Foto: M. Riedel

Jeden Morgen startet Danny Derbe mit einem ­grünen Tee in den Tag und ist dabei schon im Dienst. Denn er ist als Bahnhofsmanager 24/7 in Bereitschaft. Täglich fährt er mit dem Zug aus Richtung Berlin zum Magdeburger Hauptbahnhof, um dort mit seinem Team für einen reibungslosen Ablauf zu sorgen. Miriam Riedel, Redaktionsleitung bahn manager, wollte unter anderem von ihm wissen, wie er Bahnhofsmanager geworden ist, was seine Aufgaben sind und mit welchen Herausforderungen er zu kämpfen hat.

Herr Derbe, wie sind Sie Bahnhofsmanager geworden?

Das ist wirklich eine gute Frage. Ich bin fast 30 Jahre im Konzern und bin einmal quer durch die Organisation durch. Ich war in verschiedensten Funktionen und Geschäftsfeldern tätig. Eigentlich komme ich aus dem Bereich der Fahrzeuginstandhaltung und war unter anderem Leiter der Instandhaltung im Werk Cottbus. Später war ich in der Konzernleitung im Qualitätsmanagement tätig, und in dieser Rolle haben wir den Systemverbund, also den gesamten Bahnkonzern, unter Qualitätsthemen beleuchtet. Da habe ich die große Brille aufgesetzt und mich das erste Mal so richtig intensiv mit der Infrastruktur auseinandergesetzt. Und wie wird man dann Bahnhofsmanager? Ja, indem man irgendwie Lust darauf hat, sich mal mit diesem Bereich zu beschäftigen. Instandhaltung war für mich so, das kann ich. Da wusste ich schon, was mich morgens erwartet, wenn ich aufstehe. Und die Infrastruktur war für mich ein neues Betätigungsfeld, die ich noch nicht so intensiv kannte. Und durch einen Zufall und einen guten Kontakt bin ich mit dem ehemaligen Regionalbereichsleiter auf Magdeburg zu sprechen gekommen, und dort gab es eine Vakanz. Daraufhin bin ich einfach mal hingefahren und habe ein ganz tolles, offenes Team vorgefunden, das für Entwicklung brennt. Das hat mich neugierig gemacht, und dann habe ich meinen Hut in den Ring geworfen. Das hat geklappt, und nun bin ich seit eineinhalb Jahren begeisterter Bahnhofsmanager. Auch wenn es ein riesiger Blumenstrauß ist und man für sich die einzelnen Themen so sortieren muss, dass man schlank und effizient, aber auch nach vorne gerichtet durch die Zeit kommt. Man braucht schon einen starken Plan, um sich mit den Fokusthemen auseinanderzusetzen.

Welche Voraussetzungen muss man denn für den Job mitbringen? Sie kommen aus der Instandhaltung. ­Mussten Sie sich neue Qualifikationen aneignen?

Ein abgeschlossenes Studium und Kenntnisse in der In­frastruktur sind Voraussetzungen. Man wird dann festgestellt für das Eisenbahn-Bundesamt (EBA). Es gibt dabei ein Feststellungsgespräch über die Eisenbahnbetriebsleiter-­Organisation. Erst dann kann der Job vollwertig ausgeführt werden. Ansonsten sollten Interessierte viel Energie und operatives Geschick mitbringen. Wir arbeiten jeden Tag mit Menschen, und jeden Tag ist die Situation eine andere. Es ist sehr abwechslungsreich und ein 24/7-Betrieb. Es ist nicht so, dass man morgens kommt, und um 16 Uhr schließt man den Bahnhof zu. Man ist immer in Bereitschaft. Das muss man wollen.

Wie sieht denn Ihr Alltag aus?

Das fängt morgens nach dem Aufstehen schon an. Der erste Blick ist aufs Handy, ob in der Nacht etwas passiert ist.  

Also sind Sie schon beim Kaffeetrinken zuhause bereits Bahnhofsmanager.

Beim Teetrinken (schmunzelt). Dann geht es ab in den Zug. Ich pendele täglich aus Richtung Berlin. Dann reihen sich viele Meeting-Termine aneinander, unter anderem über Qualitätsthemen, Stationsbetreuung – wir sind sehr Kennzahlen getrieben. Und so baut sich entsprechend der Tag auf. Der Kalender ist gut gefüllt. Dazu kommen die operativen Ereignisse.  Zum Beispiel wenn das EBA bezüglich der Überwachung etwas festgestellt hat oder technische Anlagen ausgefallen sind.  

Sie sprechen immer von wir? Wer ist denn das Team?

Wir sind 80 Mitarbeiter im gesamten Bahnhofsmanagement. Zum Team gehört einerseits die Stationsbetreuung. Das sind die Kolleginnen und Kollegen, die sich um die Stationen kümmern und sicherheitstechnisch sowie qualitativ verantwortlich sind. Es gibt das Team Bahnhofsservice, das sich ausschließlich mit dem Service am Kunden befasst. Unter anderem die DB-Information oder Kollegen auf den Bahnsteigen, die die Reisenden bei Fragen unterstützen und körperlich beeinträchtigte Menschen begleiten. Dann haben wir noch das Anlagenmanagement, das für die Instandhaltung und Instandsetzung aller technischen Anlagen von Beleuchtung über Brandmeldeanlagen bis hin zu Bahnsteigen, die sich auch mal absenken können – musste ich auch erst lernen –, zuständig ist. Diese Kollegen bilden zudem die Schnittstelle zum Baumanagement, was bei uns regional angelegt ist. Und es gibt noch eine ­Überorganisation für Dienstleistungsservice und Betrieb – also zum Beispiel in Richtung Securitymanagement und Fahrgastinformation.

Zu Beginn fiel das Wort Fokusthemen? Welche sind das?
 
Fokusthemen befassen sich unter anderem damit, wie wir in fünf Jahren dieses Bahnhofsmanagement betreiben wollen. Daraus haben wir ein Strategiepapier entwickelt. Unter anderem geht es um die Verbesserung unserer Baumaßnahmen, aber auch: Was erwartet der Reisende in puncto Service in der Zukunft? Wir sind ein Flächenbahnhofsmanagement in Magdeburg – von Salzwedel über Stendal, in den Harzer Raum nach Dessau bis fast in die Stadt Brandenburg. Reicht es da von Magdeburg aus zu agieren, oder brauchen wir mehr Präsenz in der Fläche? Solche Fragen haben wir uns gestellt und einen 3-Jahres-Fahrplan erstellt. Zum Beispiel werden wir einen Junior-Bahnhof in Köthen mit Auszubildenden betreiben.

Das Bahnhofsmanagement beschränkt sich also nicht nur auf Magdeburg, sondern viele weitere Stationen werden von Ihnen betreut?

Ja genau. Wir haben 165 aktive Stationen, die regelmäßig angefahren und mit Publikumsverkehr belegt werden. Und dann haben wir noch 44 inaktive Stationen, an denen kein Personenverkehr, aber Güterverkehr stattfindet. Auch diese müssen wir sicherheitstechnisch auf dem Stand der Dinge halten und haben dementsprechend noch Betreiberleistung zu vollziehen.

Was macht Ihnen am wenigsten und am meisten Spaß?

In Summe macht mir der Job total viel Spaß. Er ist abwechslungsreich, bietet fast täglich neue Herausforderungen. Das treibt mich an. Wo wir noch besser werden könnten, ist das Thema Verbesserung der Infrastruktur. In der Vergangenheit wurde gespart. Nun steht Geld zur Verfügung, das investiert werden möchte. Aber es ist eine hohe Kunst, die Mittel bedarfsgerecht, also wirklich am Kunden orientiert, einzusetzen. Das auszutarieren ist eine hohe Herausforderung in einem Flächenbahnhofsmanagement.

Sie sprachen gerade das Thema Investitionen an. Der Knoten Magdeburg wird modernisiert und ausgebaut. Inwiefern sind Sie involviert?

Wir sind komplett involviert. Wir sind ja der Eigentümer und Betreiber des Bahnhofes. Wir sind bei jeglichen Baumaßnahmen, die unser Territorium, unsere Abläufe und Prozesse tangieren, involviert.  

Was bedeutet diese Modernisierung für Magdeburg?

Es ist ein gewaltiger Schritt nach vorn. Wir haben hier ein Gebäude aus dem 18. Jahrhundert. Damals völlig ausreichend, heute sind die Ansprüche ganz anders. Heute ist ein Bahnhof nicht nur ein Eingangstor zum Zug, sondern heute ist ein Bahnhof im besten Fall ein Verweilort, ein Shopping-Ort, ein Informationsort, ein Treffpunkt. Wir gestalten derzeit den Kölner Platz um, und dort wird es zum Beispiel ein Wasserspiel, vernünftige Sitzmöglichkeiten oder neue gastronomische Angebote geben. Wir können ihn dann auch für Festivitäten wie einen kleinen Markt oder ähnliches nutzen. Wir sanieren unsere Geschäfte im Bahnhof, um die Attraktivität zu steigern. Und auch der Bahnhofsvorplatz soll noch umgestaltet werden.

Inwieweit arbeiten Sie dabei mit der Stadt Magdeburg zusammen?

Wir haben generell einen ganz normalen Regelaustausch. Wenn es um die Entwicklung der Stadt rings um den Bahnhof geht, sind wir sofort in Kontakt. Bei der Umgestaltung des Vorplatzes sind wir in enger Abstimmung. Dabei entstehen auch gemeinsame Ideen. Da wir ja auch am Kunden sind.Das Bahnhofsmanagement hört nicht an der Mauer oder an der Bahnsteigkante auf.

Inwieweit spielt die Digitalisierung eine Rolle im Ablauf eines Bahnhofsbetriebs?  

Digitalisierung ist mittlerweile ein integraler Bestandteil in unserem täglichen Leben. Und wir müssen dafür sorgen, dass die Kunden bei uns keinen Abriss bekommen. Auch wir müssen digitaler werden – digitale Formate einführen, um mehr Echtzeitinformationen an den Kunden zu bringen, sie via App durch den Bahnhof zu steuern. Wir müssen Schritt halten mit dem, was uns umgibt. Ich bin viel unterwegs, auch im Ausland, und schaue mir dort digitale Konzepte an. Digitalisierung ist ein Grundpfeiler für die Entwicklung bei der DB Station & Service, und wichtig ist dabei, der Treiber zu sein.  

Tauschen Sie sich auch mit anderen Bahnhofsmanagern aus? Gibt es so was wie ein großes Treffen einmal im Jahr?

Wir sind 44 Bahnhofsmanagements in Deutschland, und da gibt es ein Regelformat – das ist die sogenannte 44er Runde. Dort tauschen wir uns aus, aber auch operativ zu Top-Themen. Und in unserem Regionalbereich Südost ist der Austausch noch regelmäßiger, fast täglich.

Was war das Kurioseste, was Sie im Job erlebt haben?

Was mich tatsächlich erstaunt, wie viele Fahrräder, Kinderwagen und teilweise auch Rollstühle zurückgelassen und nicht wieder abgeholt werden. Oder auch Fundsachen wie ein Gipsbein im Zug. Das ist schon manchmal sehr kurios.

Zum guten Schluss: Mit wem würden Sie gern einmal zusammenarbeiten?

Ich würde gern mal eine Woche mit Richard Lutz verbringen. Zum einen, weil wir funktionsbedingt in unterschiedlichen Perspektiven arbeiten. Ich mehr am Produkt, während er eher einen global galaktischen und sogar europäischen Eisenbahn-Blick auf Dinge hat. Und mich interessieren Themen, wie entwickeln wir uns im Kontext zu anderen Eisenbahnen zum Beispiel in puncto Klimaresilienz, Hochgeschwindigkeits-, Nachtzugverkehr. Und wie bringt man die Länder so geschickt unter einen Hut, dass für den Endkunden ein perfektes Reiseerlebnis entsteht. Das ist eine große Herausforderung, und da würde ich ihn gerne mal begleiten.

Dieses Interview ist dem aktuellen bahn manager entnommen, Heft 04/23, das am 28. August 2023 als E-Paper erschienen und ab dem 31. August 2023 als Print-Version erhältlich ist.

Artikel Redaktion Eurailpress
Artikel Redaktion Eurailpress