Die DAK soll der Enabler sein
Die Entwicklung der Digitalen Automatischen Kupplung (DAK) wird weiter vorangebracht. Augenblicklich läuft der Test- und Standardisierungsprozess. Wie ist der Stand der Entwicklung? Darüber sprachen Dr. Armin Günter, Head of Digital Automatic Coupling Project bei DB Cargo AG, und Ralf Marxen, Head of Europe’s Rail bei Deutsche Bahn, mit dem Fachmagazin ETR. Das Interview führte Redakteurin Dagmar Rees.
Wo stehen wir heute mit der Digitalen Automatischen Kupplung (DAK) in Europa?
Marxen: Die DAK ist ein gesamteuropäisches Projekt, denn sie wird nur Erfolg haben, wenn sie flächendeckend in Europa eingeführt wird. Deshalb wurde vor rund zwei Jahren unter dem Dach des Europe’s Rail Joint Undertaking, einem Gemeinschaftsunternehmen der EU und privater Mitglieder, das European DAC Delivery Programm eingerichtet. Hier bringen die Partner für Innovationen rund um den Digital Freight Train 100 Mio. EUR ein, die zu großen Teilen für die DAK verwendet werden. Auf europäischer Ebene ist uns schon die Festlegung auf das grundsätzliche Kupplungsdesign gelungen. Wir rechnen damit, zum Jahreswechsel das umfassende technische Gesamt-Konzept für die DAK sowie des Digital Freight Trains vorstellen zu können.
Die EU-Kommission hat erst vor kurzem noch einmal verdeutlicht, wie wichtig für sie die Einführung der DAK in Bezug auf Klimaschutz ist, aber auch, um die Kapazität im europäischen Schienennetz zu erhöhen. Die EU-Kommission beginnt voraussichtlich noch in diesem Jahr die Gespräche mit den Mitgliedsländern wegen der Finanzierung der DAK. Da der Güterverkehr keine hohen Renditen erwirtschaftet, und die Investitionen und Nutzeneffekte bei Sektorteilnehmern und Gesellschaft ungleich verteilt sind, erfordert die Einführung der DAK eine staatliche Förderung.
Sie sprachen die Erhöhung der Trassenkapazität an - bisher hatte ich die DAK hauptsächlich wegen der Rationalisierung der Arbeitsprozesse und damit Erhöhung der Wirtschaftlichkeit im Blick.
Günter: Es geht nicht nur um die Erhöhung der Trassenkapazität allein, sondern um die Erhöhung der Kapazität des Netzes insgesamt. Die DAK beschleunigt die Abfertigung in den Terminals und Rangieranlagen, so dass auch hier die Kapazitäten besser genutzt werden. Mit der DAK können längere und schwerere Güterzüge gefahren werden, da die Kupplung stärker ist als die bisherige Schraubenkupplung. Dadurch können auf der gleichen Anzahl von Trassen mehr Güter transportiert werden. Mit der DAK besteht zusätzlich die Möglichkeit, leistungsfähigere, zum Beispiel elektropneumatische Bremsen einzusetzen, so dass Bremskurven neu berechnet und die Zugabstände im Netz verkürzt werden können. Wir schätzen also insgesamt, dass wir mit der DAK zwischen 10 und 15 % mehr Kapazität für den Güterverkehr schaffen könnten.
Was passiert bei der Deutschen Bahn in Bezug auf die DAK?
Marxen: Wir sehen uns als Speerspitze der Initiative. Wir engagieren uns in allen Projekten, die auf europäischer Ebene vorangetrieben werden. Außerdem sind wir gemeinsam mit weiteren Konsortialpartnern vom deutschen Verkehrsministerium mit dem DAC4EU-Projekt beauftragt worden, bei dem ein Konsortium von europäischen Betreibern und Wagenhaltern seit 2020 Prototypen der DAK mit einem Testzug im Einsatz in verschiedenen Ländern auf Herz und Nieren testet. Dieses Projekt wurde soeben verlängert und endet Mitte 2024.
Natürlich müssen wir auch als Unternehmen darüber nachdenken, wie wir uns als DB auf die DAK vorbereiten. Das heißt, wir prüfen, welche Hausaufgaben sich aus den europäischen Fortschritten in Richtung DAK für uns als DB ergeben.
Steht am Ende dann eine Standardisierung in allen technischen Fragen? Augenblicklich werden ja beispielsweise noch unterschiedliche Übertragungsmöglichkeiten für Strom getestet.
Günter: Ja, das Ziel ist die Standardisierung aller funktionalen Bestandteile. Die Frage der Strom- und Datenübertragung ist komplex. Vor zwei Jahren gab es hier noch 10 bis 15 unterschiedliche mögliche Lösungsansätze. Diese wurden anhand eines Kriterienkatalogs bewertet - jetzt gibt es nur noch zwei alternative technische Lösungen, die umfassend getestet werden, so dass wir letztendlich das beste System festlegen können.
Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Meilensteine der kommenden 12 Monate?
Marxen: Die Technik so weit entwickelt zu haben, dass wir auch in Kundenverkehren nachweisen können, dass die DAK zuverlässig funktioniert und die Benefits bringt, die wir erwarten. Die DAK soll der Enabler für die Digitalisierung des Güterverkehrs auf der Schiene sein. Ein weiterer Meilenstein ist, Klarheit über Art und Höhe der Finanzierung zu haben. Wenn wir in Europa rund 500.000 Güterwagen und rund 20.000 Lokomotiven umrüsten wollen, müssen Lieferanten und Werkstätten frühzeitig Bescheid wissen, um die notwendigen Kapazitäten für die Produktion und den Einbau der DAK aufbauen zu können.
Günter: Wir wollen im Sektor außerdem noch die Grundlagen entwickeln für eine koordinierte Einführungsstruktur der DAK, lernend aus früheren Projekten in Europa. Bei diesem Projekt kann nicht jeder machen was er will, sondern man muss sich gut aufeinander abstimmen. Diese Struktur muss nicht nur die logistischen Aspekte beachten, sondern auch die Aspekte der Finanzierung, Förderung und der Chancengleichheit für alle.
Ist die DAK ein reines Bahn-Thema oder bringt sie auch Vorteile über den Sektor Schiene hinaus?
Günter: Heute ist die Nutzung des Schienengüterverkehrs für die verladende Industrie kompliziert. Mit der DAK vereinfachen, automatisieren und rationalisieren wir die Prozesse erheblich. Außerdem ermöglicht die Digitalisierung der Wagen neue Geschäftsmodelle und vereinfacht insgesamt den Informationsaustausch, was in unserer vernetzten Welt immer wichtiger wird.
Das Interview ist dem Fachmagazin ETR (Eisenbahntechnische Rundschau) entommen, erschien dort in Ausgabe 6/23.